Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
Vom Netzwerk:
ich.«
    »Siehst du , Carl: Bernhard gefällt dein geschwächter Zustand. Er möchte , daß du möglichst lange darin verbleibst. Ich hingegen bin voller Mitgefühl und biete dir meine Unterstützung an. Du solltest dich ernsthaft fragen , wer von uns beiden wirklich dein Freund ist.«
    »Lächerlich.«
    »Also: Was können wir tun , um deinen Liebeskummer zu vertreiben?«
    »Es ist nicht Liebeskummer.«
    »Natürlich nicht. Jemand mit einem derart reichen Seelenleben wie du hat keinen Liebeskummer. Liebeskummer ist etwas für Groschenromane. Sollen wir es lieber …«
    »Es gibt kein Wort dafür.«
    »Gut. Sagen wir , du wirst durch einen einzigartigen , in der Geschichte des menschlichen Gefühlslebens nie dagewesenen Zustand schwersten Leids außer Gefecht gesetzt.«
    »Du machst dich ja doch nur wieder lustig.«
    »Wenn man aus derartigen emotionalen Tiefständen herauskommen will , ist es das Beste , sich klarzumachen , was ihnen in Wirklichkeit zugrunde liegt. Da es sich bei der Liebe in dieser primitiven Form lediglich um eine Verklärung des Fortpflanzungstriebs handelt , ist es hilfreich , wenn wir uns dessen Funktionsweisen einmal genauer anschauen: Kennst du das Lorenz’sche Instinktmodell?«
    »Weiß nicht.«
    »Der Name Konrad Lorenz sagt dir als künftigem Naturforscher aber doch sicher etwas.«
    »Das ist der mit den Graugänsen.«
    »Genau. Mit dem christlichen Menschenbild ist das alles natürlich völlig unvereinbar , aber einige seiner Überlegungen sind durchaus interessant , zum Beispiel das psychohydraulische Instinktmodell. Schon mal davon gehört?«
    »Nur so am Rande.«
    »Stell’ dir vor , du – also dein Sexualtrieb , was ja im Grunde in eins fällt – , du bist eine Art Tank , in den ständig Wasser hineinfließt. Unten , knapp über dem Boden , befindet sich etwas wie ein Zapfhahn , der über einen automatischen Auslösemechanismus geöffnet wird , sobald der Druck innen entsprechend hoch ist und ein sogenannter Schlüsselreiz auftaucht. Diese beiden Faktoren regeln sich sozusagen wechselseitig , das heißt , wenn der Tank voll ist , reicht ein winziger Schlüsselreiz , damit der Hahn sich öffnet und die Flüssigkeit verspritzt wird. Umgekehrt , wenn der Tank beinahe leer ist , bedarf es eines besonders starken Schlüsselreizes , um das Ventil zu öffnen. Für einen paarungsfähigen Täuberich etwa ist die Gestalt einer wohlgenährten , gurrenden Taube der Reiz , der unter normalen Umständen das Balzverhalten auslöst. Wenn man ihn aber einsperrt und alle Weibchen von ihm fernhält , reicht nach einer Woche schon der Umriß eines Sperrholzvogels , um das Verhaltensmuster auszulösen , und nach vier Wochen beginnt er sein Paarungsprogramm , sobald jemand mit einem Taschentuch vor seinem Käfig wedelt.«
    »Ernsthaft jetzt?«
    »Was den Kessel betrifft: Der steht in deinem Alter sowieso permanent kurz vor der Explosion. Das nennt man Triebstau. – Außer einigen glücklichen Invertierten leiden in Kahlenbeck alle darunter. – Würdest du das bestätigen?«
    »Was?«
    »Daß dir das Wasser bis zum Hals steht , Oberkante Unterlippe , sozusagen.«
    »Sehr witzig.«
    »Nun ist die Zahl attraktiver Schlüsselreize hier extrem gering , nicht wahr.«
    »Schon.«
    »Insofern ist es völlig natürlich , daß dein Instinktprogramm angesichts einer mäßig attraktiven , schwach intelligenten Schnepfe sofort angesprungen ist. Da aber der Ablauf des Programms vor dem Ziel abgebrochen wurde , hat keine Tankentleerung stattgefunden. Der Kessel steht immer noch unter Druck , aber der Druck kann nirgends hin …«
    »Ich dachte , du haßt die Biologie.«
    »Wenn die Biologen begreifen würden , daß es ihre vornehmliche Aufgabe ist , der Theologie zuzuarbeiten , als Hilfswissenschaft sozusagen , könnten beide Seiten enorm profitieren.«
    »Die Theologie ist zweitausend Jahre lang ohne Biologen ausgekommen« , sagt Kuffel. »Abgesehen davon bringt es Carl überhaupt nicht weiter. Sinnvoll wäre das Gespräch mit einem erfahrenen Priester. In Gebet und Buße würde er begreifen , daß diese , wie hieß sie noch … Ulla , daß sie eben nicht die große Liebe war , die der göttliche Heilsplan ihm bestimmt hat , sondern …«
    »Natürlich war sie das nicht …«
    »… sondern eine diabolische Versuchung.«
    »Ich würde bei derart trivialen Geschichten weder die Vorsehung noch den Teufel bemühen.«
    »Wenn du diese Dinge in den Zuständigkeitsbereich der Biologie schiebst , ist der nächste Schritt

Weitere Kostenlose Bücher