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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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, die sexuellen Verfehlungen als Teil der menschlichen Natur anzusehen , und wer – bitte schön – will denn gegen die Natur sein?«
    »Aber die Frau ist doch das Schönste , was es gibt« , sagt Carl.
    »Gut , das ist Geschmackssache. Vom Ebenmaß des Körperbaus her muß man wohl objektiv einräumen , daß der Mann die bessere Figur hat , nicht wahr , Bernhard.«
    »Mal wollte sie ihn , dann wieder nicht , zwischendurch hat sie sich bei einem anderen bedient … Das sind alles Indizien , daß ihr Handeln nicht von Liebe bestimmt war , sondern von Wankelmut und Begierde. Und auf diese Bereiche kann der Satan unmittelbar einwirken. Seine Strategien führen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Erfolg: Im simpelsten Fall wird das Opfer tiefer und tiefer in den Sumpf der sexuellen Abhängigkeiten gezerrt. Wenn diese Rechnung nicht aufgeht , bleibt immer noch die Möglichkeit , den Verlassenen über seinen Schmerz an den Haken zu bekommen. Er versinkt in Selbstmitleid: › Ein Gott , der mir so übel mitspielt , kann kein guter Gott sein. ‹ Also braucht man sich künftig auch nicht weiter an seine Gebote zu halten. Sie sind ja doch nur dazu da , einem die Lust am Leben zu nehmen. Natürlich wollen sie uns heute überall weismachen , daß es sich bei der Verzweiflung aus unglücklicher Liebe um einen ergreifenden romantischen Zustand handelt. Die Literatur steht da in vorderster Front: Seit Werther sollen wir glauben , daß etwas geradezu Heldenhaftes darin liegt. Es gibt Menschen , die regelrecht nach Verzweiflung suchen , um überhaupt noch etwas zu fühlen. Aber nicht einmal Goethe hatte Illusionen , wohin das führt: Werther bringt sich um , und Faust verschreibt sich sehenden Auges dem Bösen.«
    »Bist du verzweifelt , Carl?«
    »Vielleicht. Ich weiß nicht.«

Fünfundzwanzig
    Immerhin werden die Tage jetzt wieder länger. Abends kann man draußen im Wald sein , zumindest bis neun. Sich vorstellen , man wäre frei von allem.
    »Weißt du« , sagt Bart , »ich hatte auch eine beschissene Zeit im Winter. Wegen Frauen. Also wegen einer speziell.«
    »Immer noch Ruth?«
    »Sie hätte mich fast weichgekriegt.«
    Bis an den Rand seiner Gummistiefel steht Carl im Schlamm , hält den Stock umklammert. Kescher und Schraubglas hängen im Beutel von seiner Schulter.
    »Ich hab’ dich immer nur Gitarre spielen sehen beziehungsweise gehört vom Flur aus und dachte , bei dir läuft alles glatt.«
    »Gitarrespielen hilft.«
    Der Wald ist hier Urwald , Weiden und Pappeln , übersät mit Blattknospen , umgestürzte Bäume , von Efeu überwuchert , daumendicke Lianen. Dazwischen fließt die Kerme in Schleifen durch Sumpf. Gespiegelte Äste , gespiegelter Himmel , silbergrünes Licht. Man muß vorsichtig sein: Es gibt Stellen , aus denen man es ohne fremde Hilfe nicht wieder herausschafft. Carl ist froh , daß Bart mitgekommen ist. Zum ersten Mal überhaupt. Normalerweise geht er – außer zum Rauchen – nicht in die Natur.
    »Fische helfen auch. Aber mir sind viele gestorben im Dezember und Januar , da war das dann vorbei mit dem Trost.«
    »Scheiße.«
    »Die ganzen Panzerwelse.«
    Er bohrt seinen Stock in den Grund , um abzuschätzen , wie weit er selbst einsinken wird , setzt behutsam einen Fuß vor den nächsten. Schmatzende Geräusche bei jedem Schritt. Blasen steigen auf. Schwefelwasserstoff – das Gas , mit dem auch die Stinkbomben gefüllt sind.
    »Ekelhaft« , sagt Bart. »Ich als Fisch würde mich weigern , etwas daraus zu essen.«
    »Ich als Mensch würde unseren Fraß auch verweigern.«
    »Stimmt.«
    Es ist nicht mehr selbstverständlich wie früher , daß sie zusammen sind , einander erzählen , was wichtig ist. Oder still den Fischen zusehen , neue Platten hören. Auch wenn Bart immer wenig geredet hat: An der Art seines Schweigens konnte Carl merken , daß es ihm genauso ging oder daß er verstand , was los war.
    »In den meisten Büchern steht , daß man Lebendfutter geben soll , weil sie dann mehr Vitamine bekommen. Wobei es auch gefährlich ist. Genauso gut kann man sich neue Krankheiten oder Parasiten einschleppen. Deshalb will ich hier keschern: Hier gibt es sonst keine Fische. Wenn du siehst , was die Angler aus dem See ziehen: Rotfedern mit verpilzten Flossen , Brassen , an denen Blutegel hängen.«
    »Klar.«
    Bart setzt sich auf eine trockene Kuppe , holt seinen Tabaksbeutel aus der Jacke , dreht sich eine Zigarette , steckt sie an.
    »Und? Bist du drüber weg?«
    »Geht.«
    So wie er raucht , hat es

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