Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)
Kraft reißt er an dem Seil , das den Herrn an die Säule zwingt. Die Fesseln schneiden tief in Handgelenke und Unterarme.
Lächerlich , der Verlust eines dicklichen Küchenmädchens mit schlechtem Geschmack angesichts der Marter , die Jesus , der Christus , König der Juden , Heiland der Welt , auf sich genommen hat , für die Rettung aller , die verloren waren und an Ihn glauben.
Dein Blut , das vergossen wird zur Vergebung der Sünden : seiner Sünden , Ullas Sünden , ihrer gemeinsamen. Er selbst hat mit seinem schmutzigen Tun , ihr warmes weiches Fleisch vor Augen , die Reinheit der Liebe befleckt.
Aber sie war doch sein Glück in dieser kalten und trostlosen Welt.
Vor dem Leiden Jesu wird sein eigener Schmerz gering werden , sich auflösen , in Dankbarkeit verwandeln. Die Zartheit , mit der Maria ihre Hand auf den leblos verdrehten Arm des Toten legt , während noch immer Blut und Wasser aus Seiner geöffneten Seite fließen. Unsere Mittlerin , unsere Fürsprecherin: Führe uns zu deinem Sohne , empfiehl uns deinem Sohne , stell uns vor deinem Sohne .
Nicht einmal das Echo eines Schreis in ihrem Gesicht. Kein Vorwurf an Gott , den Vater , daß Er ihr all das aufbürdet , obwohl sie doch von Anfang an ihr Vertrauen ganz auf ihn geworfen hat. Sie klagt nicht. Statt sich aufzulehnen , erträgt sie alles in Demut.
Aber was ist der Schmerz um den toten Sohn , der sich selbst aus freien Stücken zum Opfer gebracht hat , verglichen mit dem Verlust der Geliebten , der einzigen über alles geliebten Geliebten.
Maria weiß doch , als man ihr den Leichnam bringt , daß Er nicht an den Tod verloren ist , daß nie wieder jemand an den Tod verloren sein wird , weil das Leiden und Sterben ihres Sohnes , den kein Mann gezeugt , sondern Gott selbst in sie hineingelegt hat als Sein heiliges Wort , Tod und Hölle besiegt. Im Licht des Auferstandenen bleibt nichts übrig von all dem Schrecken. Selbst in der größten Not weiß sie das – muß sie es wissen. Welche Macht soll der Schmerz da über sie haben? Sie kann doch den Anblick des Engels , seine alles überstrahlende Gestalt , mit der Stimme , die Sanftheit und Donner ist , nicht vergessen haben , wie er in ihre Mädchenkammer tritt , ihr das Ohr , das Herz , den Leib füllt: › Gegrüßet seist du Maria , du gebenedeite . Der Herr ist mit dir : Fürchte dich nicht , denn du hast bei Gott Gnade gefunden . ‹ Was soll das überhaupt noch für ein Schmerz sein , wenn man weiß , daß das Entsetzliche binnen drei Tagen vorbei ist.
»Vergib mir , Herr , vergib mir , vergib mir , vergib mir , ich weiß nicht , was ich denke , was in mir denkt , gedacht wird.«
Sein krankes Hirn bringt Irrsinn und Lästerung hervor , Einflüsterungen des Teufels , des Geists , der stets verneint. Nicht einmal vor der Verhöhnung des heiligsten und höchsten Opfers schreckt er zurück , der Satan zerrt ihn an die Seite der Folterknechte , die den geschundenen Herrn treten , schlagen , bespucken , verspotten , als Er zusammengebrochen ist unter der Last des Kreuzbalkens auf Seinen Schultern. –
Ulla , wie sie in die Arme dieses widerlichen Christian sinkt , ihm in den Hals beißt , ihre spitze , kleine Zunge durch diesen fremden , häßlichen Mund wandern läßt , ihm erlaubt , daß er ihren BH öffnet , die riesigen , weichen Brüste anfaßt.
Er will schreien – schreit nicht. Der Schmerz in den Knien schwillt an , als würde der Knochen sich durch die Haut ins Freie drücken , nackt auf das blank gescheuerte Eichenholz stoßen. Er will der Versuchung standhalten , sich nicht setzen. Wer vor dem Allerheiligsten im Sitzen betet , zeigt , daß ihm Bequemlichkeit wichtiger ist als Ehrfurcht. Wie soll nur ein winziger Anteil des Segens , den das Leiden Jesu in die Welt gebracht hat , ihm selbst zum Heil werden , wenn er es nicht einmal schafft , beim Anblick des Herrn , der blutüberströmt an die Geißelsäule gefesselt den Schlägen der Folterknechte ausgeliefert ist , unter der Last des Kreuzes zusammenbricht , einen Druckschmerz auf der Kniescheibe auszuhalten?
› Die Priester vom Gotteswerk tragen Büßerhemden und Bußgürtel ‹ , sagt Kuffel. › Manche geißeln sich selbst , um zu zeigen , daß sie über die Jahrtausende hinweg in der dunkelsten Stunde an der Seite des Herrn stehen. Sie wollen Ihm wenigstens den Teil der Sündenlast abnehmen , den sie sonst selbst verursacht hätten. ‹
All das wegen der Lust des Fleisches.
Ulla , geliebte Ulla: wie er neben ihr lag , seine
Weitere Kostenlose Bücher