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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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von sich behaupten.«
    Holzkamp wohnt in Haus Oktogon , aber selbst dort wollen sie ihn nicht.
    Kuffel sagt: »Magst du hereinkommen , Carl? – Dann lernen wir uns endlich auch mal näher kennen. Wir haben noch kein persönliches Wort miteinander gewechselt , obwohl wir seit vier Monaten Zimmernachbarn sind.«
    »Komm rein. Setz dich hin. Da ist ein Stuhl« , sagt Holzkamp , als hätte er zu bestimmen. »Bernhard freut sich immer , wenn er Besuch von Jüngeren bekommt. Er hat ein Herz für die Jugend , nicht wahr , Bernhard.«
    Wirft den Kopf zurück , schnappt mit dem Mund wie ein Fisch an Land , schmatzt auf.
    Carl setzt sich hin , weiß im selben Moment , daß es ein Fehler ist. In den Ästen der mächtigen Kiefer im Garten bricht sich die Abendsonne. Oberhalb von Holzkamps Kopf fallen gefleckte Schatten auf die Wand. Zwei Glockenschläge , ruhig und schwer.
    »Also. Fangen wir noch mal von vorne an , Carl: Du behauptest von dir , daß du denkst. Wir lassen das fürs erste so stehen , obwohl Zweifel angebracht sind.«
    Kuffel lacht.
    »Aber hast du dir schon einmal die Frage gestellt , wie du das anstellst. Und vor allem womit? Oder interessieren solche Fragen dich nicht?«
    »Doch. Sicher. Wie man halt denkt. Im Kopf. Mit dem Gehirn. Ist das ein Problem?«
    »Du meinst , in deinem Kopf bewegt sich etwas , und das nennst du der Einfachheit halber denken ?«
    Carl hebt ratlos die Schultern.
    »Nennst du auch alle Bewegungen deines Mundes kauen ?«
    Kuffel lacht wieder. In seinem Lachen gibt es entschuldigende Untertöne und hämische.
    »Was ist daran komisch?« sagt Holzkamp schroff. »Pacher kann uns doch erzählen , wie das bei ihm vor sich geht , wenn er denkt. Nicht wahr , Carl?«
    »Ich denke , also bin ich.«
    »Ohoo , hast du das gehört , Bernhard: Unser junger Freund denkt nicht nur , er kennt sich sogar mit Philosophie aus: Wer hat diesen berühmten Satz noch gleich gesagt? Leibniz? Spinoza? Oder war es Karl Marx? Verrate uns doch , von wem diese Perle der Weisheit stammt , damit wir aus unserer Begegnung mit dir reicher hervorgehen , als wir gekommen sind.«
    »Keine Ahnung.«
    »Bevor man mit Zitaten um sich wirft , sollte man sich erkundigen , von wem sie stammen , sonst findet man sich plötzlich auf der falschen Seite wieder.«
    »Möchtest du etwas trinken?« fragt Kuffel.
    Carl ist dankbar für die Unterbrechung.
    »Ich hätte Kirschsaft , Apfelsaft , Tee oder Kaffee , falls du abends Kaffee trinkst.«
    »Was für Tee?«
    »Stell dir vor , der Satz stammt zum Beispiel von Stalin. Oder von Hitler – wenn dir das lieber ist.«
    »Wieso soll mir das lieber sein?«
    »Hagebutte , Pfefferminz und Schwarzen.«
    »Wenn er wahr ist , spielt es doch keine Rolle , von wem er stammt , oder?«
    »Die Wahrheit würde ich in diesem Zusammenhang aus dem Spiel lassen. Da hat sich schon Pilatus die Zähne dran ausgebissen , und der war ein anderes Kaliber als du – intellektuell gesehen.«
    »Welche Sorte Schwarzen?«
    »Einfache Beutel: Ostfriesenmischung.«
    Von Tee hat Kuffel offensichtlich keine Ahnung.
    »Wußtest du , daß der Teufel in der Lage ist , Menschen so zu manipulieren , daß sie zu seinem Sprachrohr werden , ohne es zu merken?«
    »Der Teufel?«
    »Der Teufel. Natürlich. Oder zählst du zu den Schlaumeiern , die die Existenz des Teufels für ein Ammenmärchen halten? – Roghmann – also der Präses hat neulich gesagt , in unseren Tagen sei es einer der geschicktesten Schachzüge des Teufels , die Leute glauben zu lassen , er sei nur eine Erfindung der Kirche , um Angst zu verbreiten.«
    Carl könnte sagen: › Ich habe noch eine halbe Kanne Twinings Earl Grey drüben , die hole ich mir ‹ . In der Zwischenzeit würde ihm ein Satz einfallen , auf den Holzkamp nicht gleich die nächste Fangfrage parat hätte , ein Satz , der so witzig wäre , daß Kuffel über seine Schlagfertigkeit lachen müßte und selbst Holzkamp Respekt hätte. Er könnte auch sagen: › Danke , das reicht mir jetzt , war nett mit euch ‹ , aber er sagt: »Ostfriesenmischung ist in Ordnung.«
    »War das jetzt auch denken – die Bewegung in deinem Kopf , die dazu geführt hat , daß du dich für die Ostfriesenmischung entschieden hast?«
    »War es das nicht?«
    Wieder lacht Kuffel auf diese zweideutige Art , steht auf , öffnet seinen Kleiderschrank , kramt hinter den Turnschuhen einen Karton hervor , aus dem er einen Blechtopf samt Tauchsieder nimmt , greift nach einer Plastikflasche neben dem Nachttischchen , von der

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