Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)
über das Verhalten der Fische zutage fördern , wird den Amazonas bereisen , bis zu den Quellflüssen vordringen , unbekannte Arten entdecken , Arten , von deren Existenz außer Gott niemand weiß , und Indios , die er als Freunde gewonnen hat , werden ihm helfen. Wenn er sich schon nicht in den Dienst des Evangeliums stellt , weil er ein Mädchen liebt , kann er als Ichthyologe doch Zeugnis vom Wirken der göttlichen Schöpferkraft geben. Es hat sogar Sinn , Latein zu lernen: wegen der wissenschaftlichen Namen , und später wird ihm das Portugiesische leichtfallen.
Neben seiner prachtvollen Färbung sind die Anspruchslosigkeit und Unempfindlichkeit des Makropoden weitere Vorzüge , die ihn auch für den Anfänger empfehlenswert machen. Beachten sollte man allerdings , daß die Fische untereinander recht unverträglich sind und insbesondere während der Brutpflege anderen Beckeninsassen gegenüber ruppig werden können .
Immer wenn er in seinem alten Polstersessel mit den abgesägten Beinen sitzt und das Becken anschaut , spürt er auch die Last , die es bedeutet , für das Leben dieser fremden Wesen verantwortlich zu sein. Nachts ängstigt sie ihn regelrecht. Für jedes Tier , das durch sein Verschulden stirbt , wird er am Ende der Zeiten zur Rechenschaft gezogen werden. Deshalb muß er gut vorbereitet sein , bevor er sie einsetzt , und für bestmögliche Bedingungen sorgen. Tag für Tag sitzt er über den Büchern , macht sich ein Bild der verschiedenen Arten , damit er weiß , wie sie sich verhalten , welche Wasserverhältnisse , Beckeneinrichtung , Futtermittel sie benötigen. Augenblicklich neigt er dazu , sich wegen der Beobachtungsergebnisse auf maximal drei Arten zu beschränken. Wahrscheinlich wird er tatsächlich ostasiatische Labyrinthfische nehmen , trotz seiner grundsätzlichen Entscheidung für die Amazonasregion als Forschungsgebiet: Makropoden oder Zwergfadenfische. Für Zwergfadenfische spricht , daß sie leicht zu beschaffen sind. Andererseits ist ihnen das hiesige Wasser zu hart. Sie vermehren sich darin nicht , die Eier verpilzen oder die Jungfische gehen nach wenigen Tagen ein.
Von seiner Wehrhaftigkeit während der Pflege des Nachwuchses abgesehen , ist der Makropode ein sehr zutraulicher Fisch , dem man mit etwas Geduld sogar verschiedene Verhaltensweisen beibringen kann. Manchmal benimmt er sich geradezu aufdringlich. Bei der Reinigung des Bodengrunds oder beim Schneiden der Pflanzen zupft er an Arminnenseiten und Körperbehaarung.
Er sieht kraftvoll aus auf dem Photo , ein wenig gedrungen , die Stirn fast bullig , der Körper längsgestreift in leuchtendem Rot und Blau. So , wie er die Flossen aufstellt , um Rivalen oder einem Weibchen zu imponieren , erinnert er an einen Ritter , der sich zum Turnier in seinen Prachtharnisch geworfen hat.
Die Aquarien sollten nicht zu klein sein , eine Länge von mindestens siebzig Zentimetern empfiehlt sich.
Carls Becken hat achtzig Zentimeter.
Es kämen ein oder zwei Saugwelse dazu , um den Algenwuchs einzudämmen , obwohl sie aus Südamerika stammen. Wenn es ohnehin kein streng regionaler Besatz wird , kann er auch noch einen Trupp Panzerwelse nehmen. Panzerwelse vertragen sich mit allen anderen Arten.
Leider sind im Handel inzwischen häufig schwächliche oder schlecht ausgefärbte Tiere erhältlich , was Anlaß zu der Befürchtung gibt , daß diese schöne und interessante Art langfristig aus der Aquaristik verschwinden wird.
Das Buch ist über zehn Jahre alt. Bei Zoo Miegel in Forch hat er noch nie Makropoden gesehen. Der Zustand der Fische , die es dort gibt , ist insgesamt schlecht. Einmal hat Herr Miegel , während Carl im Laden stand , einen verendeten Wels mit der Hand aus dem Becken gefischt und ihn den Wasserschildkröten zum Fraß vorgeworfen. Letzte Woche waren seine Sumatra-Barben mit weißen Pünktchen übersät.
»Grandios« , sagt Guntram laut , aber eher zu sich selbst und nimmt den Kopfhörer ab. »Kleiber arbeitet bei Schubert eine intellektuelle Dimension heraus , die weder Bernstein noch Karajan bemerkt haben. Ohne daß die emotionale Wucht darunter leidet.«
Im Industriegebiet von Kerven hat vor kurzem ein neuer Aquaristikgroßmarkt eröffnet , über den Bruder Walter sagt , er habe mehr Fische als der Kölner Zoo. Vielleicht läßt sich sein Vater überzeugen , am nächsten Heimfahrtswochenende mit ihm dorthin zu fahren.
Carl klappt das Buch zu. Er muß Lateinhausaufgaben machen. Seit Krantz gesehen hat , daß seine
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