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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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hat es rein gar nichts zu tun.«
    Carl möchte versinken vor Scham , daß er so dämlich war , für einen Moment zu glauben , Holzkamp hätte sich geändert , könnte ein normal netter Mensch geworden sein.
    »Also: Invertierte … – Wie lange lernst du schon Latein?«
    »Vier Jahre.«
    »Und was heißt vertere ?«
    »Drehen , wenden.«
    »Die Funktion der Vorsilbe in- :«
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich das Gegenteil oder eine Verstärkung , umkehren , umdrehen .«
    »Sehr gut: Was sind dann also Invertierte ?
    »Umgedrehte?«
    Carl kann nicht glauben , daß sie tatsächlich meinen , was ihm dämmert , sonst würde Holzkamp Kuffel dessen nicht offen bezichtigen , ohne daß Kuffel widerspräche. Vielleicht ist es auch ein Spiel zwischen ihnen , in das er hineingezogen werden soll , oder eine reine Machtdemonstration , so wie Präfekt Wiepers bei jeder Gelegenheit seine perversen Späße veranstaltet , über die außer ihm niemand lacht , und man weiß nie , ob er die , die er malträtiert , verabscheut oder im Grunde am liebsten vernaschen würde.
    »Hattest du nicht behauptet , unser Freund Carl hätte eine rasante Auffassungsgabe?«
    »Wenn es das heißt , was ich glaube , das es heißt …«
    »Und das wäre?«
    »Schwul oder was?«
    »Ein unschönes Wort , findest du nicht?«
    »Ihr seid komplett bescheuert.«
    »Fest steht , daß sich viele Homosexuelle hervorragend mit alten Damen verstehen. Und du hast gesagt , das sei bei dir auch der Fall. Oder willst du das bestreiten? Ich habe dich ja nicht zu dieser Selbsteinschätzung gezwungen.«
    »Völlig krank.«
    »Es ist ein Indiz. Das wird man wohl konstatieren dürfen. Wenn du daraus Schlüsse im Hinblick auf dich ziehen möchtest , bleibt das ganz allein dir überlassen , wobei es natürlich Mutmaßungen zuläßt. Wir können dem gern gemeinsam nachspüren , wenn du mehr über dich erfahren willst.«
    »Also bitte!« knurrt Kuffel.
    »Im Sinne einer Analyse. Du glaubst doch nicht ernsthaft , ich könnte … Im Unterschied zu dir , mein Lieber , bin ich an diesen Dingen ausschließlich im Hinblick auf das bessere Verständnis der menschlichen Natur interessiert. Im übrigen wissen wir seit Freud , daß die meisten Menschen Neigungen in alle Richtungen haben. Das ist an sich nicht verwerflich.«
    Carl schaut zu Kuffel , der gleichzeitig gluckst und den Kopf schüttelt.
    »Den alten Griechen zum Beispiel galt die Knabenliebe als erotisches Vergnügen der Männer mit gehobenem Geschmack. Wußtest du das?«
    Carl hat die marmorne Aphrodite im Griechenlandkapitel des neuen Kunstbuchs vor Augen , sagt: »So einen Schwachsinn habe ich selten gehört.«
    »Dein junger Freund ist zwar von jedweder Sachkenntnis unbeleckt , hat dafür aber eine um so entschiedenere Meinung. – Für die Griechen , mein Lieber , hatte der Eros , also die überfeinerte Form des Sexualtriebs , etwas mit Geist zu tun – falls dir der Begriff etwas sagt. Ich bin mir allerdings nicht sicher , ob Sokrates oder Platon die Frau als solche überhaupt der Teilhabe am Geistigen für fähig hielten – was meinst du , Bernhard?«
    »Frauen dienten lediglich der Fortpflanzung.«
    »Und ihr Anblick , nun ja , spätestens nach dem zweiten Kind … Verglichen mit der wohlgeformten Gestalt eines Jünglings … Kannst du das nachvollziehen?«
    »Nein.«
    »Ich vergaß , du stammst ja vom Land. Dort hat man eher rustikale Bedürfnisse: dralle Mädchen , die gesunden Nachwuchs werfen …«
    Ganz gleich , was er sagt , Holzkamp wird eine Möglichkeit finden , es ins Gegenteil zu verkehren , um ihn lächerlich zu machen.
    »Entspricht das deinem Schönheitsideal , Carl , üppige Formen , weiches Fleisch?«
    › Er weiß von Ulla ‹ , schießt es ihm durch den Kopf. Sie sind gerade einmal zwei Stunden aus den Ferien zurück , und Holzkamp ist es schon auf eine perfide Weise gelungen , in Erfahrung zu bringen , daß er sich in der Schweiz mit einem ehemaligen Küchenmädchen angefreundet hat. Carl hat keine Ahnung , wer es ihm verraten haben könnte. Es war niemand dort , der so vertraulichen Umgang mit Holzkamp hätte , daß er seinen Informanten spielen würde , abgesehen davon , daß noch gar nichts passiert ist zwischen Ulla und ihm. Alle Spekulationen dort kreisten um ihre Verbindung mit Rasche. – Theoretisch hätte der Präses das , was er als heiligmäßiger Mann über das Verborgene in Carls Herz weiß , Holzkamp mitteilen und ihn beauftragen können , gezielt einer Intensivierung der Freundschaft

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