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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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möchte jemand , der so einen Citroën fährt , den Leuten von sich vermitteln?«
    »Keine Ahnung.«
    »Streng dein Spatzenhirn ein bißchen an. Du wirst doch wohl Bilder im Kopf haben , wenn du an dieses Auto denkst?«
    Nicken.
    »Welche zum Beispiel?«
    »Was Französisches halt. Paris , Schwarz-Weißfilme , Gauloises , Maigret , Rollkragenpullis … Oder dieser Philosoph , der letztes Jahr gestorben ist und so geschielt hat … Roghmann hat noch darüber gepredigt.«
    »Sartre. Bravo. – Woher hat er das bloß , diese Fähigkeit , Dinge sofort auf den Punkt zu bringen? – Weißt du zufällig auch welche Philosophie Sartre gelehrt hat?«
    Achselzucken.
    »Natürlich nicht. Wie auch? Du beschäftigst dich in der Hauptsache mit dem Liebesleben von Fischen , da kannst du dich nicht um philosophische Grundfragen kümmern. Spielt ohnehin keine Rolle für einen angehenden Ichthyologen: Das Wissen von heute folgt der Empirie , nicht wahr: › Ich glaube , was ich sehe. ‹ Wie dieser amerikanische Schwachkopf , der vom Mond mit der Erkenntnis zurückkam , daß er Gott dort draußen nirgends hat entdecken können … – So ein Citroën steht exemplarisch für das Lebensgefühl des Existentialismus – schon mal davon gehört?«
    »Nur das Wort , aber mehr weiß ich nicht … «
    »Immerhin , die Vokabel darf als bekannt vorausgesetzt werden: Der Existentialismus ist eine Denkrichtung … – Kann man das sagen? Nun ja. Etwas in der Art. Lassen wir es der Einfachheit halber so stehen: eine Denkrichtung , die den Menschen ausschließlich vom Hier und Jetzt her beschreibt und jedwede transzendente Dimension ableugnet. Sartre spricht in diesem Zusammenhang vom In-die-Welt-geworfen-Sein des Menschen. Dementsprechend ist seine Kernthese , daß das Sein das Bewußtsein bestimmt und nicht umgekehrt. Anders ausgedrückt: Du landest hier auf der Erde , quasi als unbeschriebenes Blatt , schaust dich um , stellst fest , daß du da bist ; dir ist kalt , dein Magen knurrt , und also definierst du dich als ein Wesen , das Wärme braucht und Hunger hat. Wenn du dann endlich Wege gefunden hast , deine physischen Bedürfnisse halbwegs befriedigend zu versorgen , einschließlich der passenden Socken und des richtigen Autos , schaust du nach oben ins Dunkel des nächtlichen Weltalls und kommst dir unendlich verloren vor – wie dieser Astronaut. Jetzt könntest du dich eigentlich auch umbringen , aber weil dein Gehirn geringfügig größer ist als das eines Schimpansen , fragst du dich , bevor du zum Strick greifst , was der ganze Unfug hier soll , und damit bist du dann erst mal wieder eine Weile beschäftigt.«
    »Aber so ist es doch.«
    Kopfschütteln. Ein Aufstöhnen.
    »Nein. So ist es nicht. Wir als Gläubige – und ich nehme mal an , du würdest dich , trotz der schwarzen Löcher in deinem Kopf , nach wie vor als Gläubigen bezeichnen – , wir gehen davon aus , daß der Mensch in seinem Sosein von Gott durch das Wort , den Sohn , nach Seinem Abbild geschaffen wurde. Träger dieser Abbildhaftigkeit ist , wie du dir denken kannst , weder deine Nase noch dein großer Zeh , sondern das , was man die › Geistseele ‹ nennt. Diese Geistseele entstammt einem unmittelbaren göttlichen Willensakt , und das unbändige Verlangen nach Dem , Der sie ins Dasein gerufen hat – gerufen , und eben nicht geworfen! – , ist ihr wesenhaft eingeschrieben. Wie Augustinus es formuliert , › Unruhig ist unser Herz , bis es Ruhe findet in Dir , o Herr. ‹ Es ist also nicht der Blick des satten Primaten in das leere Universum , der die Frage nach dem Sinn entstehen läßt , sondern die ursprüngliche Gottförmigkeit unseres Seins. Sie bringt uns , unabhängig von den jeweiligen Lebensumständen , dazu , nach dem Ewigen zu fragen. Jeder Mensch , selbst wenn wir ihn mit allen materiellen Gütern versorgen , ihn ohne Not und Krankheit in einem vollständig abgeschirmten Raum großziehen würden , brächte aus der tiefsten Mitte seiner selbst das Verlangen nach Gott hervor.«
    Nicken.
    »Hast du den fundamentalen Unterschied verstanden?«
    »Ungefähr.«
    »Im Fall von Spiritual Lenders müssen wir allerdings davon ausgehen , daß ihm die geistesgeschichtlichen Implikationen seiner Automobilentscheidung bestenfalls oberflächlich bewußt sind. Vermutlich will er nur eine lockere Pseudointellektualität mit tragischer Grundierung anklingen lassen.«
    »Eitelkeit , sonst gar nichts: › Seht her , ich bin keiner von diesen verknöcherten Pfaffen , die nach

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