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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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Haare ab.«
    »Schon seit zwei Monaten. Das mit dem Zopf war mir irgendwann zu altmodisch , ich wollte mal moderner aussehen. Gefällt es dir?«
    »Schon. Ja. Ist noch ungewohnt.«
    »Albrecht fand , daß es reifer aussieht und zugleich jünger.«
    Noch ein Grund , ihn zu hassen.
    »Ich finde dich sowieso schön.«
    Sie schaut auf den Boden , lächelt , verschämt , erwidert nichts.
    Der Park wirkt hier fast wie ein richtiger Wald , Ebereschen zwischen hohen Buchen , Blätter schwer und satt , in allen Farben des Herbstes. Die Weiden und Pappeln am Wasser sind schon beinahe kahl. Linker Hand , wie vor zehn Jahren , das Gehege: zwischen Stämmen und Buschwerk , auf dem braunen Laub kaum zu erkennen , eine Gruppe Damwild. »Von allen Hirschen mag ich sie am liebsten.«
    »Sie sehen edel aus , findest du nicht?«
    »Nicht so spießig wie Rothirsche.«
    »Meine Eltern haben auch einen über dem Sofa.«
    Sie kichert.
    Vor ihnen das Wasser. Die beiden Arme der Vries , die sich am anderen Ende von Forch geteilt hat , vereinigen sich wieder. Vorn , um eine mächtige Eiche , ist eine Rundbank gebaut , Gestiftet aus Mitteln der Sparkasse Forch , 1981 steht auf einem Messingschild. »Wollen wir uns hinsetzen?«
    Die Stadt liegt unendlich weit hinter ihnen , keine Stimmen , kein Verkehrslärm , nur das ruhige Glucksen des Flusses , zwischen Ufersteinen , Schilfrohr , wie er sich hinzieht durch Viehweiden , weites Land. Baumgruppen im Nebel , schwarzbunte Kühe , ein zerfallener Melkstall. Wie zur Erinnerung entdeckt er die Schwäne als Lichtflecken kurz vor dem Horizont , wo Himmel und Erde verschwimmen.
    Sie hat beide Hände in die Jackentaschen gegraben , die Schultern hochgezogen: »Ein guter Platz« , sagt sie , »den merken wir uns.«
    »Hier wollte ich schon als Kind immer sein.«
    »Das Leben ist manchmal verrückt , das mußt du zugeben.«
    Sie rutscht näher zu ihm hin , so daß ihre Jacken sich berühren , fünf oder sechs Schichten Stoff zwischen ihrer Haut und seiner , so viel , daß von ihrer Wärme nichts bis zu ihm durchdringt. Zeitgleich wenden sie einander ihre Gesichter zu. Ein Schweigen , nur kurz , dann schaut sie aufs Wasser , sagt: »Ich kann mir das gar nicht richtig erklären. Obwohl du so viel jünger bist , daß es eigentlich unmöglich ist: Bei dir fühle ich mich immer verstanden. Als wären wir Seelenverwandte … Weißt du , was ich meine?«
    Er nickt.
    Sie legt ihre Hand auf seinen Arm: »Versprich mir , daß du nicht böse bist , wenn ich das so direkt sage …«
    »Wieso sollte ich dir böse sein , es gibt doch gar keinen Grund.«
    »Versprichst du’s?«
    »Ich kann dir gar nicht böse sein.«
    »Du bist so lieb. Ich kenne niemanden sonst , der so lieb zu mir ist und mich ganz einfach akzeptiert , wie ich bin , mit all meinen Macken. Und davon habe ich eine ganze Menge , glaub mir.«
    Noch immer liegt ihre Hand auf seinem Arm. Er weiß nicht , was sie bedeutet. Wenn sie seine Hand hätte halten wollen , warum hat sie dann den Arm genommen. Es ist eine Geste zwischen Freunden , nicht zwischen Liebenden , vielleicht ein Versuch , wie die Berührung sich anfühlt , ob sie fremdartig ist oder selbstverständlich , bloß neu.
    »… für mich ist das , was wir miteinander haben , von Anfang an etwas Besonderes gewesen , so etwas hatte ich noch nie mit jemandem. Aber es macht mich auch unsicher , weil … – Versteh mich nicht falsch , normalerweise sind die Leute , Männer , mit denen ich zusammen bin , mindestens genauso alt wie ich oder älter , Jan war zweiundzwanzig , Albrecht sogar schon sechsundzwanzig , und ich habe mir nie vorstellen können , daß es anders sein könnte , ich meine – entschuldige , wenn ich das so direkt sage , also: In deinem Alter sind sie für mich eigentlich noch Jungs .«
    Er spürt sie jetzt doch , trotz all der Kleider , ihre Haut , den Atem darunter , der sich hebt und senkt , legt seine Hand auf ihre , eine Geste von unerhörtem Ausmaß. Der Schock , wie anders sie ist , eine völlig unbekannte Hand , die in nichts der ähnelt , die sie ihm vorhin sinnlos und weil ihr nichts anderes einfiel , zur Begrüßung hingestreckt hat. Er hat in seinem ganzen bisherigen Leben überhaupt noch nie etwas berührt , das sich ähnlich anfühlte wie diese Hand , ein Glück , ein Schmerz , darunter die Angst , etwas Entsetzliches könnte passieren.
    »Ich weiß nicht« , fährt sie fort , ohne die Hand wegzuziehen , aber auch ohne ihren Blick vom Boden zu heben: die

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