Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)
weichgeschwungene Stirn im Profil , ihre kleine Nase , leicht aufgeworfene Lippen , dunkelrot , die Rundung unterhalb des Kinns , ehe es in den Hals übergeht. »Kann sein , daß es nicht geht … Ich bin wirklich unsicher , aber worüber ich nicht unsicher bin , ist , daß ich dich mag , sehr mag , Carl.«
Ihre Stimme bricht ab , und sie dreht ihre Hand , die immer noch auf seinem Arm liegt , ganz langsam auf den Rücken , so daß sie ineinandergreifen. Weich , feucht und trocken zugleich fühlt sie sich an. Ihre Finger verschränken sich , sie drückt kurz zu , als wollte sie ihm versichern , daß diese Geste kein Zufall , daß ihre Hand seine ist , für jetzt und immer. Es scheint , als würden die Innenflächen einen einzigen Handkörper bilden , in dem derselbe Puls rast , während sie noch immer auf ihre Füße schaut , scheinbar regungslos , doch er spürt , wie ihr Brustkorb , ihre Brüste , unter dem dick gefütterten Parka beben. Sie spricht nicht mehr. Aber sein Name aus ihrem Mund hallt immer noch nach , ein endloses Echo in dieser vollkommenen Stille , die sie einhüllt , umschließt und in der sie auf immer bleiben dürfen. Vielleicht wartet sie , daß er antwortet , er weiß nicht , ob und wie , warum und was er erwidern soll , wo alles , was er sagen würde , Lichtjahre zurückbliebe hinter dem , was durch ihre Hände strömt. Trotzdem: Seine Lippen öffnen und schließen sich , die Kiefermuskulatur ahmt Bewegungen gesprochener Laute nach , ohne daß etwas zu hören wäre. Er hat vergessen , was und wie die Worte waren , weil er sie nie aus seinem Mund gehört hat: »Ich dich auch … Liebe.«
Jetzt endlich sieht sie ihn an. Ihre Blicke werden zu einem einzigen , der in beiderlei Richtungen reicht , bis in die Vorewigkeit , als die Seelen erschaffen wurden. Verlangsamt wie in Träumen streckt seine Rechte sich nach ihr aus , er verfolgt es aus dem Augenwinkel , nähert sich ihrem Hals , ihrem Nacken , spürt die gekräuselten Löckchen dort , weich und widerspenstig , die Haut unter seinen Fingerkuppen , kein Wort für das , was geschieht.
Achtzehn
»Ich weiß nicht , wie Roghmann es hinnehmen konnte , daß sie uns diesen Lenders als Spiritual geschickt haben: Abgesehen von seiner strikten Weigerung , sich zu kleiden , wie es einem Priester ansteht , hält er Böll offensichtlich auch für geistlich relevanter als die Summa des heiligen Thomas. Jedenfalls habe ich noch keinen einzigen theologisch relevanten Gedanken von ihm gehört.«
»Seit Kunze Regens ist , kommen immer mehr solche … Mir fällt gar kein Ausdruck ein , der nicht die Würde des Amtes beleidigt … Typen halt – aus dem Priesterseminar.«
»Ein Priester im bordeauxfarbenen Citroën mit abnehmbarem Verdeck.«
»Kunze will smarte Modernisten , weil er meint , damit könnte er der Kirche die Jugend zurückgewinnen. Prälat Kiewert hätte so jemanden gar nicht erst zur Weihe zugelassen.«
»Was spricht denn gegen sein Auto?«
»Erklär es ihm , Bernhard. Dein junger Freund ist in der Ausdeutung der menschlichen Natur noch nicht sehr weit fortgeschritten.«
»Wenn ich mir einen Wagen aussuchen könnte , würde ich auch eher so was nehmen als einen Kadett oder Golf.«
»Weißt du , Carl: Ein Priester sollte in seiner gesamten Erscheinung auf äußerste Zurückgenommenheit achten. Diese impertinente Art , seinen Individualismus zur Schau zu stellen , gehört sich nicht für jemanden , dessen Ziel es ist , Christus gleichförmig zu werden. Ob ein Priester grün oder blau schön findet , lieber Karotten oder Gurken ißt , interessiert niemanden. Er ist ein Diener , der Christus repräsentiert. Mit der Weihe hat er seine eigene Person , das , was Paulus den alten Menschen nennt , abgelegt , um eins mit dem Herrn zu werden. Abgesehen davon muß er natürlich auch in jeder Situation als Priester erkennbar sein , denn es kann immer und überall geschehen , daß ein Mensch plötzlich Hilfe braucht oder sich bekehren will.«
»Jesus ist halt gar nicht Auto gefahren , insofern weiß man nicht , welche Marke er bevorzugt hätte.«
»Mit der Wahl eines solchen Fahrzeugs bringt man etwas zum Ausdruck , Carl. Verstehst du das? Man macht eine öffentliche Selbstaussage , genau wie mit seiner Kleidung oder mit seiner Frisur. Oder meinst du , daß diese Entscheidungen im luftleeren Raum stattfinden , daß jeder sie für sich allein trifft , weil es ihm gerade mal einfällt?«
»Das wahrscheinlich auch nicht.«
»Und was , denkst du ,
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