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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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mehr aufgenommen. Die Ärztin hatte meiner Mutter gesagt, dass meine Leber kurz vor der Zirrhose sei. Wenn ich so weitermachte, hätte ich jedenfalls nicht mehr als zwei Jahre. Mit Drogen-Info war es sowieso aus. Da brauchte ich gar nicht mehr anzurufen, denn die standen mit dem Krankenhaus in Verbindung. War auch richtig, dass sie solche wie mich nicht aufnahmen. Es gab schließlich viele Fixer in Berlin, die gern in die Therapie wollten und eben kaum Therapieplätze. Klar, dass nur Leute einen Therapieplatz bekamen, die noch genügend Power hatten, bei denen also echt eine Aussicht bestand, dass sie von der Droge wegkamen. Und zu denen gehörte ich ja nun mit Sicherheit nicht. Ich hatte wohl auch einfach ein bisschen früh angefangen, um da noch wieder rauszukommen.
    Ich war ganz klar. Ich zog ganz nüchtern Bilanz und trank dabei meine Cola. Ich dachte ganz praktisch. Wo sollte ich in dieser Nacht hin? Meine Mutter hätte mir die Tür vor der Nase zugeschlagen. Oder sie hätte am nächsten Morgen die Polizei alarmiert und mich in ein Heim einweisen lassen. Das hätte ich jedenfalls an ihrer Stelle gemacht. Mein Vater war in Thailand. Stella ging sowieso nicht. Von Detlef wusste ich nicht mal, bei welchem Freier er in dieser Nacht pennte. Oder es war ihm tatsächlich ernst mit dem Entzug, dann war er bei seinem Vater. Dann war er ab morgen sowieso weg. Ich hatte also nicht mal ein Bett. Diese Nacht nicht und die nächste auch nicht.
    Beim letzten Mal, als ich nüchtern nachgedacht hatte, war ich auf die zwei Möglichkeiten gekommen, die es damals für mich gab: entweder endgültig aufhören mit dem H oder Goldener Schuss. Die erste Möglichkeit war nun leider weg. Fünf oder sechs Entzüge ohne den geringsten Erfolg waren schließlich auch genug. Ich war weder besser noch schlechter als die anderen Fixer. Warum sollte gerade ich zu den paar Prozent gehören, die wieder von der Droge wegkommen. Ich war nichts Besonderes. Ich ging auf den Kudamm und fuhr zur Kurfürstenstraße. Ich war nachts noch nie auf der Kurfürstenstraße zum Anschaffen gewesen. Fixerinnen gingen da nachts nicht hin, weil zu viele Profinutten rumliefen. Ich hatte keine Angst. Ich machte ganz schnell zwei Freier und fuhr zurück zum Treibhaus. Ich hatte hundert Mark und kaufte mir ein halbes Gramm.
    Ich wollte nicht auf die Toilette im Treibhaus und auch nicht auf die Toilette am Kurfürstendamm. Da war nachts zu viel Betrieb. Ich holte mir noch eine Cola und dachte darüber nach, auf welche Toilette ich gehen sollte. Mir fiel die Toilette am Bundesplatz ein. Da war nachts kein Mensch. Auch morgens war es da eigentlich immer völlig ruhig.
    Ich ging zu Fuß zum Bundesplatz. Ich hatte keine Panik. Ich war total ruhig. So eine leere Toilette nachts hat eigentlich etwas Unheimliches. Ich fühlte mich aber irgendwie geborgen in dieser Toilette. Sie war sauber und hell. Ich hatte sie ganz für mich allein. Die Toiletten auf dem Bundesplatz sind die besten von Berlin. Die Klos sind riesengroß. Wir waren schon mal mit sechs Mann in einem Klo gewesen. Die Türen sind unten nicht offen, sondern gehen bis auf den Fußboden. Und es sind nirgends Löcher in die Wände gebohrt. Weil die Toiletten am Bundesplatz die besten von Berlin sind, haben sich da schon einige Fixer umgebracht.
    Keine Omas, keine Spanner, keine Bullen. Es gab keinen Anlass zur Hektik. Ich ließ mir Zeit. Ich wusch mein Gesicht und bürstete mir die Haare, bevor ich das Besteck reinigte, das ich mir von Tina ausgeliehen hatte. Ich war sicher, dass das halbe Gramm reichen würde. Nach den letzten Entzügen hatte immer ein viertel Gramm genügt, mich auszuknocken. Jetzt hatte ich schon mehr als ein Viertel drin. Und mein Körper musste von der Gelbsucht ziemlich geschwächt sein. Ich hätte lieber ein ganzes Gramm gehabt. Atze hatte es mit einem ganzen Gramm gemacht. Aber ich hätte nicht noch zwei Freier machen können.
    Ich suchte mir in Ruhe das sauberste Klo aus. Ich war wirklich total ruhig. Ich hatte keine Angst. Ich hätte nie gedacht, dass so ein Selbstmord so undramatisch ist. Ich dachte nicht an mein bisheriges Leben. Ich dachte nicht an meine Mutter. Ich dachte nicht an Detlef. Ich dachte nur an meinen Druck.
    Ich verstreute wie immer meine Siebensachen um das Klo. Ich tat das Dope auf den Löffel, den ich auch von Tina hatte. Ich dachte einen Moment, dass nun auch ich Tina abgelinkt hatte. Die saß nämlich im Treibhaus und wartete auf ihr Besteck und auf ihren Löffel. Dann

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