Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
war mein linker Arm regelrecht gelähmt.
Als ich mich wieder bewegen konnte, nahm ich Kleenex, um das Blut wegzuwaschen. Es war überall. Im Waschbecken, am Spiegel und an den Wänden. Zum Glück war alles mit Ölfarbe gestrichen und man bekam das Blut leicht runter. Während ich noch das Blut wegwischte, haute meine Mutter gegen die Tür. Sie fing sofort an zu labern: »Mach auf. Lass mich rein. Wieso schließt du überhaupt ab. Das sind ja ganz neue Sitten.«
Ich sagte: »Halt’s Maul. Ich bin gleich fertig.« Ich war unheimlich sauer, dass sie mich ausgerechnet jetzt nervte, und wischte total hektisch mit dem Kleenex da rum. In der Hektik übersah ich ein paar Blutspritzer und ließ auch noch ein blutiges Kleenextuch im Waschbecken. Ich schloss also auf und meine Mutter stürzte an mir vorbei ins Badezimmer. Ich war völlig nichtsahnend und dachte, die muss nur dringend pinkeln. Ich ging mit meiner Plastiktüte in mein Zimmer zurück, legte mich ins Bett und steckte eine Zigarette an.
Kaum brannte die Zigarette, kam meine Mutter ins Zimmer gerannt. Sie brüllte: »Du nimmst Rauschgift.«
Ich sagte: »Ach Quatsch. Wie kommst du denn darauf?«
Da warf sie sich regelrecht auf mich und bog mir mit Gewalt die Arme gerade. Ich wehrte mich gar nicht richtig. Meine Mutter sah den frischen Einstich sofort. Sie nahm meine Plastiktüte und kippte alles, was drin war, aufs Bett. Das Spritzbesteck fiel raus, reichlich Tabakkrümel von den Roth-Händle und ein ganzer Haufen Stanniolpapierblättchen. In dem Stanniolpapier war H drin gewesen. Wenn ich mal kein Dope hatte und auf Turkey kam, dann habe ich mit der Nagelfeile den letzten Staub vom Papier gekratzt und mir daraus einen Druck gemacht.
Was da alles aus der Plastiktüte rauskam, reichte meiner Mutter natürlich dicke zum Beweis meiner Rauschgiftsucht. Ihr war wohl schon alles im Badezimmer klar geworden. Da hatte sie nicht nur das blutige Kleenextuch und Blutspritzer entdeckt, sondern auch noch Ruß von dem Löffel, in dem ich das Dope aufgekocht hatte. Sie hatte mittlerweile in der Presse schon allerhand über Heroin gelesen und konnte sich so schnell einen Reim auf alles machen.
Ich gab das Leugnen auch sofort auf. Obwohl ich mir ja gerade einen richtig geilen Schuss mit M-Powder reingehauen hatte, brach ich richtig zusammen. Ich heulte und bekam kein Wort mehr raus. Meine Mutter sagte auch nichts mehr. Sie zitterte. Sie war total geschockt. Sie ging aus meinem Zimmer und ich hörte, wie sie mit ihrem Freund Klaus redete. Sie kam zurück. Sie schien etwas ruhiger und fragte: »Kann man dagegen denn nicht was tun? Willst du denn nicht damit aufhören?«
Ich sagte: »Mutti, ich täte nichts lieber als das. Ehrlich. Glaub mir das. Ich will wirklich von diesem Scheißdreck weg.«
Sie sagte: »Gut, dann versuchen wir das zusammen. Ich nehme mir Urlaub, damit ich die ganze Zeit bei dir sein kann, wenn du aufhörst mit dem Rauschgift. Wir fangen gleich heute an mit der Entziehung.«
Ich sagte: »Das ist prima. Aber da ist noch eine Sache. Ohne Detlef läuft nichts ab. Ich brauche Detlef und er braucht mich. Er will auch entziehen. Wir haben uns schon oft darüber unterhalten. Wir wollten sowieso jetzt entziehen. Zusammen.«
Meine Mutter war völlig fassungslos und sagte: »Ach, Detlef, der auch?« Sie hatte Detlef immer sehr nett gefunden und war froh gewesen, dass ich einen so netten Freund hatte. Ich antwortete: »Natürlich Detlef auch. Glaubst du, dass ich das allein gemacht hätte? Das hätte Detlef doch nie zugelassen. Er lässt es aber auch nicht zu, dass ich ohne ihn entziehe.«
Mir ging es plötzlich ganz gut. Ich wurde richtig fröhlich bei dem Gedanken, dass ich mit Detlef zusammen entziehen würde. Wir hatten das ja tatsächlich schon lange vor. Meine Mutter aber war völlig fertig. Sie war ganz grün im Gesicht und ich dachte, sie würde einen Nervenzusammenbruch kriegen. Das mit Detlef hatte sie noch einmal geschockt. Sie war wohl geschockt von ihrer eigenen Ahnungslosigkeit in den vergangenen zwei Jahren. Und nun kamen ihr immer mehr Zweifel. Sie wollte wissen, wie ich das Geld für das Heroin bekommen hätte. Sie hatte natürlich sofort geschaltet: Strich, anschaffen und so.
Ich hätte es nie fertiggebracht, ihr die Wahrheit zu erzählen. Ich log: »Ach, man schlaucht sich so durch. Ich habe immer Leute um ein paar Mark gebeten. Und das klappte meistens. Ich habe auch sauber gemacht, mal hier, mal da.«
Meine Mutter fragte nicht weiter. Sie
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