Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
Vom Netzwerk:
auf die Haschszene.
    Detlef wollte sich wieder Arbeit suchen. Er sagte: »Ich geh einfach wieder zu meinem alten Chef und sage, dass ich zwischendurch Scheiße gebaut habe und dass ich nun garantiert vernünftig geworden bin. Mein Chef hat eigentlich immer viel Verständnis für mich gehabt. Ich fange meine Lehre als Rohrleger noch mal von vorne an.«
    Ich sagte, dass ich mich total auf die Schule konzentrieren wolle und vielleicht sogar noch die Realschule und danach sogar das Abitur schaffen könne.
    Dann kam auch meine Mutter mit einer Riesenüberraschung, die uns ganz happy machte. Sie war bei ihrem Arzt gewesen und der hatte ihr eine Flasche Valeron verschrieben. Detlef und ich nahmen jeder 20 Tropfen, wie es der Arzt verordnet hatte. Wir aasten nicht mit dem Zeug, denn es sollte ja die ganze Woche reichen. Wir kamen gut auf Valeron. Der Entzug war nun echt zu ertragen. Meine Mutter kochte uns immer Pudding, auf den wir richtig Appetit hatten. Sie holte uns Eis, sie erfüllte uns jeden Wunsch. Sie brachte uns Stapel zum Lesen. Jede Menge Comichefte. Vorher hatte ich Comichefte langweilig gefunden. Nun sah ich sie mir zusammen mit Detlef an. Wir lasen nicht so drüberweg wie sonst. Wir guckten uns jede Zeichnung ganz genau an und konnten uns manchmal über diese witzigen Zeichnungen halb totlachen.
    Am dritten Tag ging es uns schon wieder richtig gut. Wir waren allerdings immer angetörnt. Nicht nur von Valeron. Wir schluckten weiter jede Menge Valium und kippten Wein drauf. Wir hatten ein unheimlich gutes Feeling, obwohl sich unsere vergifteten Körper noch hin und wieder gegen den Entzug vom H wehrten. Am Abend des dritten Tages haben wir dann nach langer Zeit wieder miteinander geschlafen. Denn auf Heroin hat man immer seltener das Bedürfnis, miteinander zu schlafen. Es war das erste Mal, seit Detlef mich entjungfert hatte, dass wir nicht auf H waren, als wir miteinander schliefen. Es war unheimlich toll. Wir merkten, dass wir uns lange nicht mehr so intensiv geliebt hatten. Wir lagen stundenlang im Bett und streichelten unsere Körper, die noch immer schwitzten. Eigentlich hätten wir am vierten Tag gut aufstehen können. Doch wir blieben noch drei Tage im Bett, liebten uns und ließen uns von meiner Mutter umsorgen und schluckten Valium und Wein. Wir sagten uns, dass so ein Entzug doch echt gar nicht so schlimm sei, und freuten uns, dass wir weg waren vom H.
    Am siebten Tag standen wir dann auf. Meine Mutter war ganz happy, dass alles überstanden war. Sie küsste uns sehr glücklich. Ich hatte in dieser Woche ein ganz neues Verhältnis zu meiner Mutter bekommen. Ich spürte ihr gegenüber so was wie echte Freundschaft und auch Dankbarkeit. Ich war auch wieder wahnsinnig froh, dass ich Detlef hatte. Ich dachte mal wieder, so einen astreinen Jungen gäbe es nicht noch mal auf der Welt. Es war jedenfalls astrein, wie er sofort und ohne nachzudenken den Entzug mit mir gemacht hatte. Und es war schon echt wahnsinnig, dass unsere Liebe nicht wie bei anderen Fixern durch den Entzug kaputtgegangen war, sondern nur noch intensiver wurde.
    Wir sagten meiner Mutter, dass wir mal ein wenig an die frische Luft wollten nach einer Woche in meinem winzigen Zimmer. Sie fand das richtig. Detlef fragte: »Wohin gehen wir denn?« Ich sah ihn total ratlos an. Ich hatte echt keine Idee. Uns wurde erst jetzt klar, dass wir eigentlich nichts mehr hatten, wo wir hingehen konnten. Alle unsere Freunde waren Fixer. Und all die Plätze, die wir kannten, wo wir uns irgendwie zu Hause fühlten, da war auch H-Szene. Wir hatten überhaupt keinen Kontakt mehr zur Haschischszene.
    Nachdem Detlef gefragt hatte, wohin wir gehen sollten, ging es mir plötzlich nicht mehr so gut. Wir hatten kein Valeron mehr und das war wohl auch der Grund, dass wir unruhig geworden waren und rauswollten. Dass wir nicht wussten wohin, machte mich noch unruhiger. Ich fühlte mich plötzlich ganz ausgepumpt, ganz leer. Wir waren also weg vom H und wussten nicht wohin.
    Wir gingen zur U-Bahn, ohne über ein Ziel zu reden. Es ging alles automatisch. Wir wurden an einem unsichtbaren Faden gezogen, ohne dass uns das bewusst war. Und dann standen wir auf dem Bahnhof Zoo. Detlef sagte endlich was: »Wir müssen doch wenigstens Axel und Bernd mal ›Guten Tag‹ sagen. Die denken sonst, wir sind im Knast, auf dem Friedhof oder sonst was.«
    Ich sagte ganz erleichtert: »Klar. Wir müssen ihnen erzählen, wie der Entzug war. Vielleicht können wir sie überreden, auch

Weitere Kostenlose Bücher