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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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stand auf, schaffte es irgendwie bis zum Spiegel in meinem Zimmer und sagte: »Ich halte das nicht aus. Ich bring das nicht. Ich bring das echt nicht.« Ich konnte ihm nicht antworten. Ich hatte keine Kraft, ihm Mut zu machen. Ich versuchte, nicht dasselbe zu denken wie er. Ich versuchte, mich auf einen dämlichen Gruselroman zu konzentrieren, blätterte hektisch in einer Zeitung und zerriss sie dabei.
    Mein Mund und mein Hals waren total trocken. Aber der Mund war auch voll von Speichel. Ich konnte ihn nicht runterschlucken und fing an zu husten. Je krampfhafter ich versuchte, diesen Speichel runterzuschlucken, desto stärker wurde dieser Husten. Ich kriegte einen Hustenkrampf, der überhaupt nicht mehr aufhörte. Dann fing ich an zu kotzen. Ich kotzte voll auf meinen Teppich. Es war weißer Schaum, den ich auf den Teppich spuckte. Ich dachte, wie früher bei meiner Dogge, wenn sie Gras gefressen hatte. Das Husten und das Kotzen hörten überhaupt nicht mehr auf.
    Meine Mutter war die meiste Zeit im Wohnzimmer. Wenn sie zu uns reinkam, war sie ganz hilflos. Sie rannte immer wieder los ins Einkaufszentrum und holte uns irgendwelche Sachen, die wir dann doch nicht runterbekamen. Jetzt brachte sie mir Malzbonbons und die halfen tatsächlich. Der Husten hörte auf. Meine Mutter wischte die Kotze weg. Sie war wahnsinnig lieb. Und ich konnte nicht mal »Danke« sagen.
    Irgendwann fingen die Pillen und der Wein doch an zu wirken. Ich hatte fünf 10er Valium gefressen, zwei Mandrax und dann noch fast eine ganze Flasche Wein draufgegossen. Danach hätte ein normaler Mensch ein paar Tage gepennt. Mein Körper war so vergiftet, dass er kaum noch auf dieses Gift reagierte. Ich wurde aber wenigstens ruhiger und legte mich auf mein Bett. Wir hatten neben das Bett eine Liege gestellt und auf die legte sich dann auch Detlef. Wir berührten uns nicht. Jeder war voll mit sich selber beschäftigt. Ich kam in eine Art Halbschlaf. Ich schlief und wusste zur gleichen Zeit, dass ich schlief, und spürte die verdammten Schmerzen voll. Ich träumte und dachte nach. Das ging alles durcheinander. Ich dachte, dass jeder, vor allem meine Mutter, voll in mich hineinsehen könne. Dass jeder meine unheimlich dreckigen Gedanken lesen könne. Dass jeder sehen musste, was für ein ekelhaftes Stück Dreck ich überhaupt war. Ich hasste meinen Körper. Ich wäre froh gewesen, wenn er mir einfach weggestorben wäre.
    Abends warf ich dann noch einmal ein paar Tabletten hinterher. Das hätte bei einem normalen Menschen langsam schon zum Abkratzen reichen müssen. Ich schlief nur wenigstens für ein paar Stunden fest ein. Ich wachte wieder auf, nachdem ich geträumt hatte, ich sei ein Hund, der immer von den Menschen gut behandelt worden war und den man nun plötzlich in einen Zwinger sperrte und zu Tode quälte. Detlef ruderte mit den Armen rum und schlug mich dabei. Das Licht brannte. Neben meinem Bett stand eine Schüssel mit Wasser und ein Waschlappen. Meine Mutter hatte das da hingestellt. Ich wusch mir den Schweiß aus dem Gesicht.
    Detlefs ganzer Körper war in Bewegung, obwohl er fest zu schlafen schien. Der Körper bewegte sich auf und ab, seine Beine strampelten und manchmal schlug er eben auch mit den Armen um sich.
    Mir ging es etwas besser. Und ich hatte die Kraft, Detlef mit dem Waschlappen die Stirn abzuwischen. Er spürte nichts. Ich wusste, dass ich ihn noch immer wahnsinnig liebte. Als ich später wieder eingedöst war, merkte ich im Halbschlaf, dass Detlef mich anfasste und mir über das Haar strich.
    Am nächsten Morgen ging es uns echt besser. Die alte Fixerregel, dass der zweite Tag des Entzugs der schlimmste sei, stimmte also für uns nicht. Aber es war ja auch unser erster Entzug und der ist immer halb so schlimm wie die folgenden. Mittags fingen wir sogar an, wieder miteinander zu reden. Erst ganz belangloses Zeug und dann wieder über unsere Zukunft. Unsere Pläne waren nicht mehr ganz so bürgerlich wie zu Beginn des Entzugs. Wir schworen uns, nie wieder H zu nehmen und kein LSD und auch keine Pillen. Aber wir wollten ein friedliches Leben führen mit friedlichen Leuten. Wir einigten uns darauf, dass wir wieder Haschisch rauchen wollten wie in unserer schönsten Zeit. Wir wollten auch Freunde aus der Hascherszene haben, denn die waren meistens sehr friedlich. Wir dachten, dass wir mit Alkis nie Kontakt bekämen und dass wir mit diesen aggressiven Spießern auch nichts zu tun haben wollten. Wir wollten also von der H-Szene zurück

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