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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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nach dem Turkey hatte ich einen Brief an Detlef geschrieben und zwanzig Mark reingesteckt, von denen er mir H schicken sollte. Das schrieb ich also an Detlef, dem ich gesagt hatte, er solle entziehen. Ich schickte dann den Brief allerdings nicht ab, weil ich dachte, dass Detlef mir sowieso kein H schicken und die zwanzig Mark selber verdrücken würde.
    Mit meiner Cousine besichtigte ich Burgen und Schlösser in der Umgebung und ich ritt wieder fast jeden Tag. Wir gingen mit den anderen Kindern in den Steinbruch, der mal meinem Opa gehört hatte. Der hatte den Steinbruch versoffen, bevor er sich selber tottrank. Meine Mutter hatte also keine leichte Kindheit hinter sich.
    Meine Oma hatte erzählt, dass irgendwo im Steinbruch eine Eisentür sein müsse, hinter der alte Dokumente der Familie lägen. Wir suchten fast jeden Abend nach der Tür. Manchmal vergaßen die Arbeiter den Schlüssel vom Bagger abzuziehen. Dann fuhren wir mit dem Bagger im Steinbruch rum. Mit meiner Cousine, die ja genauso alt war wie ich, verstand ich mich dann auch wieder echt gut. Ich erzählte ihr von meiner Liebe zu Detlef, als wäre das eine ganz normale Teenagerromanze. Ich erzählte, dass ich mit Detlef auch schon schliefe, und meine Cousine fand das voll in Ordnung.
    Meine Cousine erzählte, dass im Sommer immer ein Junge aus Düsseldorf bei ihnen Camping mache, den sie ganz in Ordnung fände. Der habe aber dann was von ihr gewollt, aber sie habe sich gewehrt. Ob das blöd gewesen sei von ihr?
    Ich sagte, nein, dass fände ich hundertprozentig okay, dass sie diesen Camper nicht an sich rangelassen hätte. Sie sollte sich auch für den aufheben, mit dem sie dann echt gehen wollte. Meine Cousine und auch all ihre Freunde kamen mit all ihren Problemen zu mir. Ich wurde eine richtige Ratgebertante. Ich sagte ihnen auch, was sie tun sollten, und vor allem, dass sie nicht alles so verbissen sehen müssten. Mir kamen diese Probleme alle lächerlich vor. Aber ich konnte zuhören und hatte eben immer einen Rat parat. Ich war unheimlich stark, wenn es um die Probleme anderer ging. Nur mit meinen eigenen wurde ich nicht fertig.
    Eines Abends rief Detlef an. Ich freute mich riesig. Er sagte, dass er gerade bei einem Freier sei und dass er deshalb telefonieren könne. Wir quatschten urisch lange, weil dieser Freier sehr großzügig war. Ich erzählte von meinem tierischen Turkey. Dass ich diesmal bald wahnsinnig geworden sei. Er sagte, er hätte noch nicht entzogen. Es wäre echt scheiße. Ich sagte, dass ich mich auf ihn freute. Ich fragte ihn, ob er mir nicht noch mal schreiben wollte, wie er es versprochen hätte. Detlef sagte, dazu habe er keinen Bock. Aber er werde mich anrufen, wenn er wieder bei dem Freier sei.
    Nach dem Telefongespräch wusste ich wieder genau, dass ich mit Detlef so gut wie verheiratet war. Wir gehörten zusammen, egal, was für eine Scheiße er machte. Abends im Bett legte ich jetzt immer regelrechte Gedenkminuten für Detlef ein. Das war wie beten. Und ich zählte die Tage, in denen ich wieder bei Detlef sein würde.
    Ich bekam von meiner Oma regelmäßig Geld. Das sparte ich eisern. Mir war eigentlich nicht klar, warum. Das Sparen war eigentlich nie meine Sache gewesen. Als ich dann vierzig Mark zusammengespart hatte, wusste ich, warum. Ich war richtig stolz auf die vierzig Mark und versteckte sie. Vierzig war die magische Zahl für mich. Vierzig Mark kostete normalerweise ein Schuss. Vierzig Mark verlangte ich deswegen meistens von einem Freier.
    Als mir das richtig bewusst geworden war, sagte ich mir: »Das kann doch echt nicht wahr sein, dass du hier schon wieder auf den ersten Druck sparst.« Ich ging dann los und kaufte mir ein T-Shirt für zwanzig Mark, damit ich erst mal von dieser verdammten Zahl vierzig wieder runter war! Denn eigentlich war ich ja hierhergekommen, um nie wieder zu drücken.
    Als die vier Wochen zu Ende gingen, rief meine Mutter an und fragte, ob ich länger bleiben wolle. Ich sagte, ohne zu überlegen, Nein. Vielleicht, wenn sie gefragt hätte, willst du dein ganzes Leben da bleiben, hätte ich nachgedacht. Aber so war das ja für mich von vornherein ein Trip gewesen, mit Horror am Anfang und dann unheimlich sanft und schön. Ich war darauf eingestellt, dass der Trip nach vier Wochen zu Ende war. Ich wollte zu Detlef zurück, mit dem ich so gut wie verheiratet war.
    Am Tag meiner Abreise zog ich mich erst mal um. Meine Oma und meine Cousine beredeten mich vergeblich, die karierten Hosen

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