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Wir Kinder von Bergen-Belsen

Wir Kinder von Bergen-Belsen

Titel: Wir Kinder von Bergen-Belsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hetty E. Verolme
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überhaupt nicht mehr zu uns, und als er fertig war, ging er gleich in seine eigene Baracke. Am nächsten Tag berichtete er von den schrecklichen Verhältnissen in den Baracken, die für die Alten und Kranken bestimmt waren. Es war die gleiche Ge-schichte, es gab nicht genug Matratzen. Die Helfer hatten etli-che alte Leute erschöpft und verängstigt auf dem Boden liegend zurücklassen müssen. Und einige Schwerkranke hatten sie nicht aus der Krankenbaracke herausgeholt, denn es gab sowieso keinen Platz mehr für sie. Wir waren deprimiert, als wir diese Ge-schichte hörten, aber die Sache hatte zumindest für uns auch ihr Gutes. In der Baracke der Alten und Gebrechlichen brannten Ofen und verbreiteten wenigstens ein bisschen Wärme. Vater halte mit dem Pfleger, der immer noch bei den Kranken lebte, abgemacht, dass er für den Preis von fünf großen Kartoffeln einige unserer Kartoffeln kochen würde.
    Am nächsten Tag ging Papa nicht zur Arbeit. Er hatte sich morgens, vor Arbeitsbeginn, auf der Frauentoilette versteckt. Um halb sieben kam er zu meinem Bett. Ich war schon wach und zog mich zum Appell an.
    »Was machst du hier, Papa?«, fragte ich, überrascht, ihn zu sehen.
    »Ich bleibe hier«, sagte er. »Ich bin in der Nacht erst um eins ins Bett gekommen. Aber ich konnte nicht schlafen. Ich habe diese armen, verzweifelten Menschen nicht aus dem Kopf bekommen.«
    »Werden sie dich nicht vermissen?«, fragte ich.
    »Das glaube ich nicht. Es war heute Morgen alles so chaotisch, es gab viel Hin-und-her-Gelaufe und die neuen SS-Män-ner sind mit den Gesichtern der Arbeitskolonnen noch nicht so vertraut.«
    Die neuen SS-Aufseher waren mit dem letzten Transport aus Auschwitz gekommen. Wir hatten beobachtet, dass im Russenlager auf der anderen Seite der Hauptstraße nun mehr Häftlinge lebten als zuvor. Die russischen Kriegsgefangenen waren vor einiger Zeit verschwunden, wohin, wussten wir nicht, wir konnten nur für ihre Sicherheit beten.
    Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Papa sagte: »Ich werde ein bisschen in deinem Bett schlafen, Hetty. Ich bin sehr müde.«
    »Was ist mit dem Appell?«, fragte ich. »Die Zahlen werden nicht stimmen, wenn du nicht hingehst.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Papa. »Ich habe mit der Barackenältesten gesprochen. Sie weiß, dass ich den Alten gestern geholfen habe, sie ist bereit, mich beim Appell als erkrankt zu melden.«
    »Dann ist es ja in Ordnung«, sagte ich.
    Ich mochte nicht daran denken, was passieren würde, wenn jemand beim Appell fehlte.
    »Ganz ruhig, Schatz«, sagte Papa. »Ich habe alles geregelt. Du solltest dich jetzt besser beeilen und zum Appellplatz gehen.
    Die Jungen sind schon weg. Ich sehe dich, wenn du zurückkommst.«
    Ich stieg vom Bett hinunter. Papa legte sich vollständig angezogen auf mein Bett und zog die Decke über seinen Kopf, damit niemand bemerken konnte, dass hier ein Mann in einer Frauen-baracke schlief. Er war bereits eingeschlafen, als ich die Baracke verließ. Armer Papa, dachte ich, er ist so erschöpft von der har-ten Arbeit und dem wenigen, was wir zu essen bekommen. Ich hob die Augen zu den grauen Wolken und betete, dass bald irgendjemand von irgendwoher kommen und uns helfen möge.
    Iis war etwa halb zwölf am Morgen, als ich vom Appellplatz zurückkam. Papa wachte auf, als er unsere Stimmen hörte.
    »Sie haben euch wieder mal lange stehen lassen«, sagte er. Kommt ins Bett und wärmt euch eine Weile unter der Decke, bis die Suppe kommt.«
    Zu dritt stiegen wir hinauf. Wir zogen unsere Schuhe aus, bevor wir unter die Decke krochen. Die Schuhe konnten wir nicht auf dem Boden lassen, sie würden sofort gestohlen werden. Deshalb mussten wir sie mit hinauf auf das Bett nehmen und sie dicht an den Körper drücken. Inzwischen waren sämtliche hygienische Bedenken auf den zweiten Platz gerutscht. Das reine Überleben war wichtiger.

5. Kapitel
    2. Dezember 1944
    An diesem Tag mussten wir umziehen. Alle packten ihre magere Habe zusammen, und langsam leerte sich die Baracke, in der wir zehn Monate lang gelebt hatten. Erschütternde Szenen spielten sich ab. Die Baracke war schließlich zu unser aller Zuhause geworden, unser Bett war uns vertraut. Wir hatten hier geschlafen, gegessen und gesprochen, dicht beieinander, als Familieneinheit. Jetzt kam wieder diese Unsicherheit, das Gefühl, das wir so oft zu Hause in Amsterdam erlebt hatten, wenn die SS von Tür zu Tür gegangen war, um Menschen aus ihren Häusern zu holen. Wir hatten die

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