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Wir Kinder von Bergen-Belsen

Wir Kinder von Bergen-Belsen

Titel: Wir Kinder von Bergen-Belsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hetty E. Verolme
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arbeiten müssen. Es gab nur zwei Küchen im Lager, in denen für die Unmengen Menschen in Bergen-Belsen gekocht wurde. Mama kehrte etwa eine Stunde nach Papa zurück. Es war ein sehr langer Tag für sie. Max und Papa hatten sie abgeholt, und als sie die Baracke betraten, war ich sehr, sehr froh, sie zu sehen. Alle kletterten mühsam auf das hohe Bett. Auch die meisten anderen saßen auf ihren Pritschen, und wenn man hinauf- oder hinunterkletterte, trat man oft unabsichtlich auf die Person im Bett darunter.
    Nachdem Papa und Mama sich etwas ausgeruht hatten, beschlossen sie, zur Krankenbaracke zu gehen und noch ein paar Kartoffeln zu kochen. Bei ihrer Rückkehr sagten sie, wir könnten die fertigen Kartoffeln am nächsten Abend abholen. Mittags hatte Max, zusammen mit der Suppe, auch unsere Brotration bekommen, deshalb bestand an diesem Abend unser mageres Mahl aus einer dünnen Scheibe trockenen Brotes, zusammen mit ein paar Karottenstücken, die Mama in ihren Stiefeln geschmuggelt hatte. Mama war sehr müde und Papa und Max gingen auch bald weg, damit wir früh schlafen konnten.
    Der nächste Tag verlief nicht anders. Bald hatten wir herausgefunden, dass es neben der Baracke keine Waschräume gab, nur einen Wasserhahn im Freien. Jackie und ich gingen morgens hin, um Gesicht und Hände zu waschen, während Max das Bett bewachte. Der Appell dauerte zwei Stunden, danach waren wir froh, wieder hineinzugehen. Zur Mittagszeit bekamen wir unser Brot für drei Tage. Das brachte ein neues Problem mit sich, nämlich, wo wir es verstecken konnten, damit es nicht gestohlen wurde. Der einzige Platz war der Koffer und in den legte ich unseren Vorrat. Nach dem Mittagessen verließen Max und Jackie die Baracke, auf der Suche nach etwas Essbarem. Sie nahmen einen Napf mit. Beide Jungen hatten einen besonderen Löffel und ein Messer mit einem silbrigen Griff und einer Stahlschneide. Dieses Besteck verwendeten sie, um die großen Kessel sauber zu kratzen, bevor sie wieder abgeholt wurden. Manchmal kam Max mit einem halben Napf Suppe zurück, aber es kam auch vor, dass das Essen, das er aus den Kesseln gekratzt hatte, verschimmelt und voller Würmer war. Wenn Max sich nicht sicher war, ob das Ganze noch genießbar war, oder wenn es aussah, als wären Rußteile im Essen, fragte er mich immer nach meiner Meinung. Dann sagte ich ihm, er solle das Zeug lieber nicht essen, es sei zu gefährlich, und er machte ein enttäuschtes Gesicht. Oft hatte er für das bisschen Nahrung, das gerade mal den Boden seines Napfes füllte, schwer gearbeitet, und deshalb fiel es ihm besonders schwer, die Essensreste wieder wegzuschmeißen.
    Wenn die Jungen nicht da waren, musste ich also auf dem Bett bleiben, um unsere Koffer zu bewachen. Eine der Schwestern auf der untersten Pritsche begann eine Unterhaltung mit mir. Sie erzählte mir, dass ihre beiden Ehemänner vor zwei Jahren bei einer Razzia in Amsterdam geschnappt worden waren und sie nicht wussten, was mit ihnen geschehen war. Nach der Razzia waren sie zusammengezogen und nun waren sie gemeinsam hier.
    Es dauerte eine Stunde, bis die Jungen zurückkamen. Sie waren nicht sehr erfolgreich gewesen, und ich sagte ihnen, sie könnten essen, was sie im Napf hatten. Mama kam an diesem Tag früh zurück, und nachdem sie uns ein paar Karotten gegeben hatte, wollte sie zum Krankenhaus gehen, um unsere letzten Kartoffeln zu holen. Max und Jackie begleiteten sie. Kurz danach kam Papa von der Arbeit.
    »Wo sind sie?«, fragte er. »Niemand hat auf mich gewartet.«
    Ich erklärte ihm die Lage und sein Gesicht hellte sich auf.
    »Ja«, sagte er. »Ich glaube, ich werde das hier jetzt nicht essen. Dieses Wasser, das Suppe sein soll, wird meinen Magen so voll machen, dass ich keine Kartoffeln essen kann. Weißt du was? Ich werde die Suppe gegen etwas tauschen. Ich kenne einen Mann, der ein paar Rasierklingen hat. Ich werde gleich zu ihm gehen. Gib mir den Napf, Hetty.«
    Papa stieg wieder hinunter, und ich reichte ihm den Napf mit der kalten Suppe, die ich mit meinem Kopftuch abgedeckt hatte. Papa verließ die Baracke, und ich hockte mich wieder hin, um die Koffer zu bewachen.
    Eine halbe Stunde später kam Papa mit zwei Rasierklingen zurück und kurz darauf erschienen auch Mama und die beiden Jungen.
    Mama und Max trugen unsere kostbaren Kartoffeln. Als sie alle oben auf dem Bett waren, öffnete Mama die beiden Bündel und wir zählten acht Kartoffeln. Mama sagte, sie habe die anderen beiden dem Koch gegeben. Bald

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