Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir Kinder von Bergen-Belsen

Wir Kinder von Bergen-Belsen

Titel: Wir Kinder von Bergen-Belsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hetty E. Verolme
Vom Netzwerk:
finden konnten. Mein Blick fiel auf einen großen Kochtopf bei dem Gepäck. Eine der Mütter hatte ihn wohl aus Amsterdam mitgebracht. So, wie er aussah, musste er einer sehr großen Familie gedient haben. Und er hatte einen Deckel. Wir stellten ihn in einer entfernteren Ecke des Raums auf, und ich sagte dem kleinen Jungen, er könne ihn benutzen. Danach ließ ich auch die anderen aufstehen, um den Topf zu benutzen. Dabei stellten wir fest, dass einige Kinder schon wieder in die Hose gepinkelt hatten. Es war so ein langer Tag gewesen. Wir zogen ihnen die nassen Sachen aus und brachten sie, nachdem sie ihr Geschäft erledigt hatten, wieder ins Bett. Ihre nackten Hinterteile deckten wir mit den Decken zu, die wir in der Garage bekommen hatten. Zum Glück hatte bisher niemand das Bett nass gemacht.
    Wir waren nun wirklich dem Zusammenbrechen nahe, deshalb schlug ich vor, schlafen zu gehen. Bis auf die Betten an der Tür waren alle besetzt, in manchen schliefen vier Kinder, zwei an jedem Ende. Die Größeren hatten sich ihre Betten und ihre Schlafpartner selbst ausgesucht. Ich hatte eine obere Doppelpritsche gewählt und teilte sie mit Max, Jackie und Loukie. Ich war die Letzte, die hinaufstieg. Das Licht ließ ich an, damit die Kinder, die nachts aufwachen würden und den Topf benutzen mussten, den Weg fanden. Auch ich fühlte mich sicherer mit Licht. Ich musste eingeschlafen sein, kaum, dass ich mich hingelegt hatte. Es dürfte drei Uhr morgens gewesen sein.
    Als ich wieder aufwachte, war es Emile, der mir sagte, dass der Topf bis zum Rand voll sei. Es war ein grauer Wintermorgen, durch das Fenster fiel Licht herein. Die meisten Kinder schliefen noch vor Erschöpfung. Emile hatte die unverschlossene Tür am anderen Ende geöffnet und sagte: »Durch die Tür kommt man ins Freie.«
    Ich weckte Max und Loukie und wies sie an, den Topf hinauszubringen und auszuleeren. »Versucht, leise zu sein, damit die Kinder nicht aufwachen.«
    Max und Loukie kletterten verschlafen hinunter und taten, was ich gesagt hatte. Es war erstaunlich, wie problemlos alle meine Autorität akzeptierten. Vermutlich sahen sie in mir den Ersatz für ihre Mütter, die sie gerade verloren hatten. Sie schenkten mir ihr uneingeschränktes Vertrauen, und ich übernahm, ohne zu zögern, die Verantwortung, mich so gut wie möglich um sie zu kümmern.
    Emile machte die Tür für Max und Loukie auf, als sie den Topf hinaustrugen, und alle drei verschwanden. Bald kamen sie mit dem leeren Topf zurück, gerade rechtzeitig, denn die Kinder wachten auf und alle wollten auf den Topf.
    Auch die Babys wachten auf und schrien. Sie waren sehr, sehr hungrig. Inzwischen hatten wir ein paar kleine Töpfe und Behälter in den Koffern gefunden, und ich schickte Emile los, einen Hahn zu suchen und die Behälter mit Wasser zu füllen. Wir entdeckten auch ein paar kleinere Schüsseln. Ich bröckelte etwas von dem Weißbrot mit Butter und Zucker in eine Schüssel, und mit dem Wasser, das Emile gebracht hatte, gelang es mir, eine Art Brei für die Babys herzustellen. Eva und ein anderes Kind hatten saubere Sachen gefunden und hatten sie bereits frisch angezogen, als der Brei fertig war. Zum Füttern gab es dann jede Menge Helfer. Einigen der älteren Mädchen machte das großen Spaß.
    Als Frühstück gaben Iesie und ich jedem Kind eine halbe Scheibe Brot. Die andere Hälfte war für abends bestimmt. Außer kaltem Wasser gab es nichts zu trinken. Es wurde still, während alle ihr Brot aßen. Wir ließen die Kinder tun, was sie wollten. Emile ging mit einem anderen Jungen hinaus, um die Gegend zu erkunden und nach einer Latrine zu suchen. Sie kamen aber bald zurück, denn es war sehr kalt draußen. Sie hatten eine Latrine nicht weit von unserer Baracke gefunden. Die größeren Kinder konnten hingehen, aber die kleinen nicht, deshalb beschlossen wir, dass sie auch tagsüber den Kochtopf benutzen sollten. Da wir nun, als alle wach waren, den ganzen Platz brauchten, stellten wir den Topf oben auf eine der leeren Pritschen.
    Iesie, Eva, Loukie, Bram, Max und ich beschlossen, unsere Situation zu besprechen. Wir saßen oben auf meinem Bett. Die Doppelpritsche ermöglichte es uns, im Kreis zu sitzen. Es waren vierundvierzig Kinder, wir waren die Ältesten und mussten für die Kleinen sorgen. Iesie schlug vor, alle Koffer nach etwas Essbarem zu durchsuchen, und falls wir etwas fänden, alles zusammenzulegen. Wir stimmten zu. Die Jungen kletterten hinunter zu den Koffern. Auch Eva stieg

Weitere Kostenlose Bücher