Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir Kinder von Bergen-Belsen

Wir Kinder von Bergen-Belsen

Titel: Wir Kinder von Bergen-Belsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hetty E. Verolme
Vom Netzwerk:
geringsten Wunsch, hinauszugehen. Langsam wurde mir wärmer und dann fiel ich in einen gnädigen Schlaf.
    Ich wachte am späten Nachmittag auf, als Eva zurückkam. Sie erzählte mir, dass die Kinder in eine Baracke am Ende unseres Lagerteils gebracht worden waren und dass die beiden Frauen sich um sie kümmerten.
    »Wie weit ist es entfernt?«, fragte ich.
    »Nicht weit«, sagte Eva. »Vielleicht fünf Minuten, am Krankenhaus vorbei.«
    »Ist dort ein Krankenhaus?«
    »Ja«, sagte Eva, »und sie haben gesagt, es hätte einen kompletten Operationssaal.«
    Diese Nachricht verwunderte mich.
    »Eva«, sagte ich, »ich möchte zum Klo gehen. Kommst du mit mir, bevor es dunkel wird?«
    »Ja. Komm, gehen wir gleich.«
    Ich zog meinen Mantel an und kletterte hinunter. Eva war schon draußen und wartete auf mich. Sie war viel größer als ich und wirkte noch immer robust und stark. Sie war Zionistin. In ihrer Nähe fühlte ich mich sicher. Als wir die Latrine erreichten, deutete Eva in die Richtung, in die die Kinder gebracht worden waren, aber alles, was ich in der Dämmerung sah, war eine graue, verlassene Straße, die sich in der Ferne verlor. Auf der rechten Seite waren gerade noch ein paar Baracken zu erkennen.
    »Ist es dort?«, fragte ich.
    »Nein, das ist das Krankenhaus.«
    Wir gingen zu unserer Baracke zurück, denn es wurde draußen jetzt schnell dunkel.
    Die frische Luft hatte mir gut getan, und nachdem ich tagsüber so lange geschlafen hatte, fühlte ich mich wieder ruhiger. Ich schlug vor, ein paar der Kekse zu essen, da wir sonst nichts hatten. Eva kam zu mir auf mein Bett und half mir, den Koffer unter der Decke hervorzuziehen. Wir nahmen jede einen Keks und hoben einen für Bram auf. Die Kekse waren alt und hart, aber sie mussten uns reichen.
    »Morgen ziehe ich los und versuche, etwas zu essen zu finden«, sagte Eva gähnend. »Es ist niemand am Tor. Ich werde zur Küche gehen und mal schauen, was ich dort organisieren kann.«
    »Glaubst du, dass das klug ist?«, fragte ich.
    »Vielleicht nicht«, antwortete sie, »aber ich glaube, ich pro-bier's.«
    Sie ging bald schlafen und warf sich auf ihr Bett, mit Schuhen und allem. Sie hatte einen schweren Tag hinter sich.
    »Bis morgen, gute Nacht.«
    Dann drehte sie sich auf die Seite und war eine Minute später schon eingeschlafen. Da es nichts zu tun gab, kroch ich wieder unter meine Decke. Selbst wenn ich nicht schlafen konnte, würde ich es wenigstens warm haben. Ich steckte die Decke fest um mich. Das Zimmer war kälter als vorher, die natürliche Körperwärme so vieler Kinder hatte die Temperatur erträglicher gemacht. Ich vermisste sie und fragte mich, wo sie jetzt wohl schliefen.
    Bram kam herein.
    »Du lieber Himmel, wo hast du den ganzen Tag gesteckt?«, fragte ich.
    »Besuche gemacht«, sagte er.
    »Besuche?«, fragte ich. »Wo warst du?«
    »Einfach die Straße hoch. In einer der Baracken gibt es eine Menge Frauen«, erzählte Bram. »Die meisten haben keine Haare und ihre Augen sind riesig, erschreckend, und manche bekommen bald ein Baby.«
    »Was redest du da?«, fragte ich.
    »Die Frauen in dieser Baracke werden vom SS-Arzt behandelt«, sagte er. »Es ist die Gruppe, die wir vor ein paar Tagen gesehen haben.«
    Ich wechselte das Thema. »Hast du etwas gegessen?«
    »Nein«, sagte Bram.
    »Hier, Eva und ich haben dir einen Keks aufgehoben.«
    Bram aß den Keks und ging ins Bett. Bald darauf hörte ich, dass er eingeschlafen war.
    Ich lag eine ganze Weile wach. Es war sehr still, und wieder und wieder wanderte mein Blick zu den leeren Betten, während ich überlegte, ob ich die Kinder morgen besuchen sollte und ob es mir überhaupt erlaubt werden würde. Ich fühlte mich verängstigt und unsicher. Während der vergangenen Tage war mir klar geworden, dass das Leben in unserem alten Lager zwar nicht gut gewesen war, aber immerhin hatten wir dort einen gewissen Schutz durch Albala und unsere Eltern gehabt. In diesem Teil Bergen-Belsens herrschten andere Gesetze. Er wurde von brutalen Kapos geleitet, hier würden nur die Starken und Listigen überleben. Dann sagte ich mir, dass ich unbedingt etwas Schlaf brauchte.
    »Hetty, wach auf.«
    Ich machte die Augen auf und sah Eva, die vor meinem Bett stand.
    »Ich gehe jetzt«, sagte sie.
    »Gut, sei vorsichtig.«
    Jetzt war ich hellwach. Bram kam ebenfalls aus dem Bett. Er war mir bisher nicht so aufgefallen, weil ich mich um die jüngeren Kinder gekümmert hatte. Er war sechzehn oder siebzehn Jahre alt und

Weitere Kostenlose Bücher