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Wir Kinder von Bergen-Belsen

Wir Kinder von Bergen-Belsen

Titel: Wir Kinder von Bergen-Belsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hetty E. Verolme
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schaute mich um. Die Pritschen für die Kinder standen in zwei Reihen an der rechten Längswand. Links war durch zwei Pritschen ein kleiner Raum abgeteilt, und zu meiner Überraschung sah ich, dass einige unserer Decken dazu benutzt wurden, um eine private Ecke zu bauen. Sofort umringten mich viele der Kinder und klammerten sich an mich. Sie waren so glücklich, mich zu sehen! Diejenigen, die geweint hatten, hörten auf zu weinen und drängten sich danach, mich anzufassen. Sie hingen an meinen Armen und redeten alle auf einmal. Ich sagte, sie sollten sich um den Tisch setzen, ich würde ihnen eine Geschichte erzählen. Zwei Stunden lang beschäftigte ich sie und sorgte dafür, dass sie sich gut fühlten.
    Ich wollte meinen Besuch nicht über Gebühr ausdehnen und machte mich auf den Weg, nicht ohne vorher noch mit Max und Jackie zu sprechen. Ich fragte, wo sie schliefen, und sie zeigten mir ihre Betten. Ich kontrollierte die Decken, es waren nicht unsere, aber zumindest waren sie warm.
    »Wie behandeln euch die Frauen?«, fragte ich Max.
    »Sie sind in Ordnung«, sagte er. »Aber wir müssen ganz leise sein, weil wir in der Nähe von einem Wachturm sind.«
    Jackie, der noch nicht viel gesprochen hatte, sagte plötzlich: »Glaubst du, dass wir Papa und Mama irgendwann wieder sehen?«
    »Natürlich, mein Schatz.«
    Ich legte tröstend die Arme um ihn. Eine Weile unterhielten wir uns noch, dann musste ich wirklich gehen. Ich winkte den Kindern zu und lief zur Tür. Inzwischen hatte ich herausgefunden, dass die kleinere Frau Luba hieß, die andere Hermina. Als ich die Tür aufmachte, kam Schwester Luba zu mir und fragte mich nach meinem Namen.
    »Hetty«, sagte ich und fragte in meinem gebrochenen Deutsch, ob ich am nächsten Tag wiederkommen dürfe, dabei deutete ich auf mich und zeigte mit den Händen eine Gehbewegung. Schwester Luba verstand meine Körpersprache und sagte, ja, ich dürfe.
    Langsam ging ich zu meiner Baracke zurück. Es war später Nachmittag und nicht kalt, zumindest fror ich nicht. Ich war so glücklich, dass ich Max und Jackie und alle anderen Kinder sehen durfte. Weniger glücklich war ich darüber, dass die Schwestern unsere Decken benutzt hatten, um ihren Schlafplatz abzuteilen. Als ich mit Schwester Luba an der Tür stand, hatte ich einen kurzen Blick hineinwerfen können und gesehen, dass sie eine Wolldecke auf den Boden gelegt hatten, als Teppich, ein Versuch, die Ecke etwas wohnlicher zu machen. Aber was konnte ich tun?
    Inzwischen war ich fast wieder bei meiner Baracke angekommen. Unterwegs hatte ich keinen Menschen getroffen. Das war ein großer Vorteil im Vergleich zu früher im Albalalager, das allmählich übergequollen war. Und noch etwas war hier besser, nämlich dass es keinen Zählappell gab. Welches Datum hatten wir heute? Ich wusste es nicht mehr genau, glaubte aber, es sei der 16. Dezember 1944.
    Eva war schon da. Sie war froh, mich zu sehen.
    »Wo warst du?«, fragte sie.
    »Ich war bei den Kindern«, antwortete ich. »Es geht ihnen gut. Und du, hast du etwas zu essen für uns aufgetrieben?«
    »Nein«, sagte Eva. »Ich habe zwei Kekse genommen, ich war so hungrig.«
    »Das bin ich auch«, sagte ich. »Ich nehme mir auch zwei.«
    Still schaute Eva zu, während ich die beiden kleinen Kekse aß.
    »Es sieht schlecht aus«, sagte ich. »Es sind nur noch drei Kekse da. Was werden wir tun?«
    Außer diesen beiden Keksen hatte ich den ganzen Tag über nichts gegessen, und getrunken hatte ich nur kaltes Wasser.
    »Keine Ahnung«, sagte Eva. »Ich hoffe, sie lassen uns hier nicht verhungern. Ich habe herausgefunden, dass die Frauen in den Baracken neben dem Krankenhaus auch nichts zu essen bekommen.«
    Wir waren beide still und in Gedanken versunken.
    »Wir sollten jetzt lieber schlafen gehen«, sagte ich. »Wenn wir schlafen, spüren wir den Hunger nicht so.«
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, waren Bram und Eva verschwunden. Ich blieb im Bett, weil es nichts zu tun gab. Doch dann verlangte die Natur ihr Recht. Ich zog meinen Mantel an, bevor ich hinausging, und wickelte mir einen roten Schal um den Kopf, um meine Ohren warm zu halten. Außerdem nahm ich ein Handtuch, damit ich mir die Hände und das Gesicht am Hahn waschen konnte. Es war sehr mild, und obwohl der Schnee noch nicht geschmolzen war, gab es nicht den kalten Wind, unter dem wir auf dem Appellplatz im Albalalager so gelitten hatten.
    Der kurze Weg zum Latrinenblock erfrischte mich, aber mein schmerzender leerer Magen

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