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Wir Kinder von Bergen-Belsen

Wir Kinder von Bergen-Belsen

Titel: Wir Kinder von Bergen-Belsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hetty E. Verolme
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Arm stand ich ansonsten bewegungslos in der Nähe des Scharführers. Der Laib war über dem Rand des Karrens, und noch immer langsam bewegte ich den Arm nach unten und versteckte das Brot unter meinem weiten Mantel. Erst dann konnte ich wieder atmen. Die Männer stritten über die korrekte Zahl und der Scharführer gab seinen Senf dazu. Ich blieb noch ein paar Sekunden länger am Karren stehen, dann machte ich langsam ein paar Schritte.
    Der Scharführer war so beschäftigt mit den streitenden Männern, dass er mich noch nicht einmal anschaute, als ich ging. Auf den ersten zehn Metern erwartete ich noch, dass mein Diebstahl entdeckt würde, doch nichts geschah und ich beschleunigte meine Schritte. Als die streitenden Männer außer Hörweite waren, fing ich an zu rennen, bis ich den Schlafraum erreichte.
    Die Kinder starrten mich erschrocken an, als ich durch die Tür stürzte, doch bald lächelten sie glücklich. Ich hielt den Laib hoch über meinen Kopf und tänzelte förmlich zu meinem Bett. Ich war stolz, nicht nur, weil ich einen ganzen Laib Brot »organisiert« hatte, nein, ich hatte auch den SS-Scharführer überlistet und vor seiner Nase Brot gestohlen.
    Bald umringten mich die Kinder und bombardierten mich mit Fragen. Einer fragte, ob ich Angst gehabt hätte, und erst in diesem Augenblick kam mir das gewaltige Ausmaß meiner Handlung zu Bewusstsein. Wenn ich erwischt worden wäre, hätte man mich schwer bestraft und nur Gottes Gnade hätte mir noch helfen können. Ich zitterte und schob diesen Gedanken zur Seite. Aber was war, wenn der Scharführer sich daran erinnerte, dass ich aus dem Kinderhaus war? Lieber keine Beweise herumliegen lassen. Deshalb nahm ich ein Messer, zerschnitt das Brot in Scheiben und gab allen Kindern um mich herum eine. Max und Jackie bekamen die größten. Als das ganze Brot aufgegessen war, fühlte ich mich wohler, und je mehr Stunden vergingen, umso sicherer war ich, dass der fehlende Brotlaib nicht mit mir in Verbindung gebracht worden war.
    Über Nacht hatte sich das Wetter plötzlich geändert. Ein graupeliger Regen fiel, und starker, kalter Wind blies durch das Lager und machte das Leben der Häftlinge noch elender. Wir hörten, dass die Erwachsenen stundenlange Zählappelle ertragen mussten, von früh am Morgen bis spät am Nachmittag, wenn die grauen Wolken dafür sorgten, dass es früh dunkel wurde. Ohne angemessene Kleidung oder Nahrung brachen viele Häftlinge während dieser grausamen Stunden zusammen, und wenn die Kapos erbarmungslos auf sie einschlugen und sie nicht aufstanden, ließ man sie im Schmutz liegen und sterben, da, wo sie niedergefallen waren.
    Zwei Tage nach meinem Abenteuer mit dem Brotlaib kamen Judie und Mickie zu mir und sagten, dass Jackie vor einer Stunde unseren Hof verlassen hatte. Er wollte zum Brotlager gehen und versuchen, einen Laib zu organisieren. Vor ein paar Minuten wäre er zurückgekommen und offenbar von einem SS-Offizier erwischt worden. Um nachzuschauen, dass ihm nichts passiert war, verließ ich gerade meinen üblichen Platz auf dem Bett, als er in den Schlafsaal kam, umringt von anderen Kindern. Ich verlangte eine Erklärung, warum er den Hof verlassen habe. Jackie zuckte mit den Schultern, mit einem aufsässigen Ausdruck im Gesicht.
    »Du hast es gemacht, also wollte ich es auch«, sagte er.
    »Aber Jackie«, sagte ich, »hast du nicht begriffen, dass das, was du getan hast, sehr gefährlich war?«
    Jackie nickte.
    Mein Ärger schwand, und ich fragte, was tatsächlich geschehen war.
    »Ich habe ein Brot erwischt und bin damit weggerannt, aber der Scharführer ist mir nachgelaufen und hat mich erwischt. Er hat mir das Brot abgenommen und mich ein paar Mal hart auf den Kopf geschlagen und mich angeschrien, dann hat er mich laufen lassen.«
    »Wie geht es dir jetzt?«, fragte ich.
    »Ich bin in Ordnung«, sagte Jackie und hob stolz sein Gesicht. »Es hat überhaupt nicht wehgetan«, log er.
    Ich legte die Arme um ihn und bat ihn, so etwas nie wieder zu machen.
    Das Wetter war schlecht und die Kinder konnten nicht draußen spielen. Der Schlafraum war deshalb sehr voll, was andererseits dazu führte, dass die Raumtemperatur durch unsere Körperwärme erträglich wurde. Der Geruch ungewaschener Körper und schmutziger Bettwäsche muss schrecklich gewesen sein, doch wir spürten das nicht. Wir kuschelten uns mit denen zusammen, denen wir uns am nächsten fühlten.
    Leni war seit Anfang Februar krank und konnte schon wochenlang das Bett nicht

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