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Wir kommen von der Presse

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Titel: Wir kommen von der Presse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Gronemann
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staunte sie über etwas: über ein großes Beet in der hintersten Gartenecke. Es roch hier ganz eigenartig, wie nach Seife. Lauter graugrüne, niedrige Sträucher, ungefähr kniehoch, standen auf dem Beet. Ute schnupperte an einem Strauch. Tatsächlich, er duftete wie Seife.
    »Wächst in Ihrem Garten auch Seife?« fragte sie.
    »Seife? Nee, hab’ ich bis jetzt weder gesät noch gepflanzt«, erwiderte Herr Neubert. »Ach, du meinst sicherlich drüben das Beet mit den Lavendelsträuchern, die so gut duften. Ja, den Lavendel hab’ ich für meine kleine Freundin Lisa gepflanzt. Das heißt, klein ist sie eigentlich gar nicht mehr. Immerhin studiert sie bereits, auf der Hochschule. Und wenn sie Zeit hat, verkauft sie auf dem Hellweg in der Innenstadt Blumen. Aber ganz besondere Blumen! Lisa ist nämlich eine Blumenkünstlerin. Im Sommer, wenn der Lavendel so herrlich blau blüht, dann kommt sie immer und erntet bei mir die Blütenstiele.«
    »Und was macht sie damit?« fragte Klaus.
    »Sie zaubert daraus die herrlichsten Duftsträuße. Übrigens, ihr zwei Reporter, die Lisa müßtet ihr euch mal vornehmen, die ist ein feines Mädchen.«
    Später saßen sie zu dritt auf der Bank unter dem blühenden Kirschbaum. Dies sei sein Lieblingsplatz, erzählte Herr Neubert. Hier säße er im Frühjahr und schaue den summenden Bienen zu, wie sie von Blüte zu Blüte flogen. Hier säße er im Sommer und freue sich, wenn die prallen Kirschen erst hellrot und dann allmählich dunkler, fast schwarz wurden. Und auch im Herbst säße er oft auf der Bank, wenn die ersten Blätter fielen. »Wenn ich hier sitze, träume ich manchmal ein wenig vor mich hin. Denn tagsüber in der Fabrik kann ich das ja nicht. Aber das Träumen tut einem mitunter gut.«
    »Und im Winter?« fragte Klaus. »Was tun Sie dann?«
    »Dann sitz’ ich natürlich nicht hier, du Schlaumeier. Dann sitz’ ich in meiner gemütlichen warmen Stube und freue mich auf den nächsten Frühling im Garten.«
    Da fiel Ute plötzlich ein, wovon die Jungen vorhin erzählt hatten. »Stimmt es wirklich«, fragte sie, »daß es Leute gibt, die die ganze Kolonie abreißen wollen?« Herr Neubert wurde schlagartig ernst. »Ja, leider. Diese Leute verstehen nicht, daß wir uns in unserer guten alten Kolonie wohl fühlen. Sie sagen: Wir geben euch größere Wohnungen mit Balkon und Lift und allem Drum und Dran, und dann habt ihr’s besser als in den niedrigen kleinen Häusern. Wir aber sagen: Besser wollen wir es gar nicht haben, wir wollen’s nur gut haben. Wir wollen bleiben, wo wir schon als Kinder gewohnt haben.« Oskar Neubert bemerkte, daß Klaus und Ute sehr nachdenkliche Gesichter machten. Und da sagte er: »Tja, ihr zwei Reporter, darüber müßtet ihr mal in eurer Schülerzeitung berichten. Dann hören die Verantwortlichen da oben auch mal von euch, wie den Leuten von der ,Felizitas’ zumute ist. Vor allem dieser widerwärtige Baumensch Meier.«
    Ute warf Klaus einen unsicheren Blick zu. Müßten sie Herrn Neubert jetzt nicht eigentlich gestehen, daß ihr »Zwiebelblatt« noch gar keine richtige Zeitung war? Daß sie diese Zeitung vorerst nur für sich selber machten? In zwei Exemplaren?
    Klaus hatte Utes Blick wohl verstanden. Aber er nestelte nur verlegen an seinem Fotoapparat herum, bis er fragte: »Was ist dieser Meier denn für ein Mensch?«
    »Er nennt sich Architekt«, sagte Herr Neubert spöttisch. »Ein Mensch ohne jeglichen Geschmack. Ihr müßtet euch nur mal seinen sogenannten ,Garten’ anschauen.« Ute und Klaus waren viel länger in der Kolonie »Felizitas« geblieben, als sie vorgehabt hatten. Auf einmal stellten sie erschrocken fest, daß es allerhöchste Zeit war, nach Hause zu gehen. Schließlich hatten sie noch einen weiten Weg vor sich.
    »Herr Neubert«, sagte Klaus zum Abschied, »es war richtig prima in Ihrem Garten. Und das Gießen hat mir echt Spaß gemacht.«
    Und Ute meinte: »Es war eine gute Idee, Sie zu besuchen. Jetzt wissen wir viel besser als andere über die Kolonie Bescheid.« Dann aber drängte sie: »Du, Klaus, ich hab’s eilig. Zu Hause krieg’ ich bestimmt Ärger, weil’s schon so spät ist.«
    Als sie die Kolonie verließen, sagte sie: »Ein Gärtner wie Herr Neubert ist eigentlich viel eher ein Glückbringer als ein Schornsteinfeger, finde ich. Sieh mal, Herr Neubert macht den Leuten in der Kolonie mit seinen Tomatenpflanzen Freude und dieser Studentin mit seinem Lavendel. Und wer weiß, wem außerdem noch. Er hat ja bestimmt nicht

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