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Wir lassen sie verhungern

Wir lassen sie verhungern

Titel: Wir lassen sie verhungern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziegler Jean
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gläubig – gläubig jenseits aller Dogmen.
    Eine konfliktträchtige, aber von gegenseitiger Achtung geprägte Beziehung verband Josué de Castro mit Gilberto Freyre, Herr der Casa Amarella 133 , Autor des berühmten Buchs Casa-Grande e Senzala 134 . Der sehr konservative Freyre fand durchaus gute Seiten an der Militärdiktatur … zumindest bis zu dem Weihnachten 1968 verkündeten Institutionellen Akt Nr. 5, der auch noch die letzten demokratischen Freiheiten abschaffte.
    Freyre hielt seine Hand schützend über das bekannteste Umbanda- Haus Recifes, den Terreiro von Sieu Antonio im Bairro do Gato.
    Umbanda ist eine Mischreligion. In ihr kommen Mythen, Riten und Prozessionen zusammen, deren Ursprünge vom Candomblé der Nagô-Yoruba bis zu kardecistisch-spiritualistischen 135 Einflüssen reichen.
    Castro, ein leidenschaftlicher Soziologe, teilte uneingeschränkt den Standpunkt von Roger Bastide, nämlich die Auffassung, es sei die Aufgabe des Soziologen, »alle Verhaltensweisen zu untersuchen, welche Menschen eignen, um Menschen zu sein«. Doch die aus Afrika eingeführten und in der Sklaverei bewahrten Religionen – Umbanda und Candomblé – stießen bei den herrschenden weißen Klassen auf tiefe (rassistische) Verachtung.
    Castro interessierte sich lebhaft für Volksreligionen und ihre Kosmogonien. Eifrig besuchte er, von Freyre geführt, den Terreiro do Gato.
    Dank Roger Bastide habe ich diesen Terreiro Anfang der Siebzigerjahre kennengelernt. 136 Die Tropennacht war schwer von allen Gerüchen der Erde. Der Klang ferner Trommeln hing wie dumpfes Grollen in der Luft. Lange mussten wir durch die dunklen Gassen mit ihren unruhigen Schatten gehen, das Viertel war riesig.
    Der Wächter erkannte Bastide. Er rief Sieu Antonio. Bastide palaverte. Ich durfte eintreten.
    Vor dem Altar drehten die weißgekleideten schwarzen Frauen und jungen Mädchen ihre hypnotischen Kreise, bis sie in Trance fielen. Das Schweigen der Anwesenden brach Xangos Stimme. Das Universum der Umbanda ist zum Bersten gefüllt mit Mysterien, seltsamen Zufällen, Koinzidenzen.
    Sind Anzeichen dafür auch im Folgenden zu erkennen?
    Am 17./18. Januar 2009 feierte die Universität Paris-VIII den vierzigsten Jahrestag ihrer Gründung. Die Universität Vincennes in Saint-Denis ist nach der Sorbonne zweifellos die international bekannteste französische Universität und die angesehenste in den Ländern des Südens. Sie ist, wie ihr Präsident Pascal Binczak sagt, eine »Welt-Universität«.
    Aus dem Aufstand vom Mai 1968 entstanden, verkörpert sie den Geist der Offenheit und radikalen Kritik der Studentenbewegung. Seit ihrer Gründung hat die Universität Paris-VIII mehr als 2000 Doktorate verliehen, davon die Hälfte an Männer und Frauen aus Lateinamerika, Afrika und Asien.
    Âlvaro García Linera, seit 2006 Vizepräsident von Bolivien, Marco Aurélio Garcia, außenpolitischer Berater der brasilianischen Präsidentin, Fernando Henrique Cardoso, Ex-Präsident Brasiliens, und seine Frau Ruth Cardoso haben dort gelehrt oder studiert.
    Paris VIII hatte beschlossen, diesen Jahrestag mit einem internationalen Kolloquium zu Ehren Josué de Castros und seines hundertsten Geburtstags zu begehen. Ich wurde eingeladen, dort eine Rede zu halten, und erhielt an diesem Tag – auf Vorschlag von Alain Bué und seiner Kollegin Françoise Plet – ein Ehrendoktorat.
    Und dann noch dies: Olivier Bétourné hat als junger Lektor im Verlagshaus Éditions du Seuil Anfang der Achtzigerjahre dafür gesorgt, das die Géographie de la faim in Frankreich neu aufgelegt wurde. Und genau dieser Olivier Bétourné, heute Präsident der Éditions du Seuil, hat die Idee für das vorliegende Buch gehabt. Um den Kampf wieder zu beleben.
    130 Leonel Brizola hatte João Goularts Schwester geheiratet. Er war wie er einer der Führer der PTB und vor dem Staatsstreich Gouverneur von Rio Grande do Sul und Abgeordneter im Nationalkongress.
    131 Brizola und Goulart gelang es, sich ihrer Verhaftung durch die Flucht nach Uruguay zu entziehen.
    132 »Zweites surrealistisches Manifest«, zitiert in: Volker Zotz, André Breton mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek, 1990, S. 83 .
    133 Sein Haus in Recife.
    134 Deutsch unter dem Titel: Herrenhaus und Sklavenhütte , Klett-Cotta, 1982.
    135 Allan Kardec hat in Frankreich eine spiritistische Lehre begründet, die im 19. Jahrhundert auf Brasilien übergriff.
    136 Jean Ziegler, Die Lebenden und der Tod , Darmstadt, Luchterhand, 1977. Neue,

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