Wir lassen sie verhungern
verweist auf Kinderarbeit: Danach waren 2007 in Usbekistan 250000 Kinder zur Arbeit auf den Baumwollfeldern gezwungen worden. Das amerikanische Außenministerium prangert auch den armseligen Lohn der Kinder an: 5 Cent für ein Kilogramm gepflückte Baumwolle; häufig werden Kinder, die die Tagesquoten nicht schaffen, brutal geschlagen.
Außerdem unterhält Cargill eine Organisation, die sich »Financial Services and Commodity-Trading Subsidiary« nennt. Sie operiert an den wichtigsten Börsen für Agrarrohstoffe. Wie andere Oligopole kann Cargill also entscheidend auf die Preisbildung der Lebensmittel Einfluss nehmen.
Dan Morgan liefert ein Beispiel: »Während die Ladung auf hoher See ist, wechselt sie oft zwanzig oder dreißig Mal den Besitzer, bevor sie tatsächlich gelöscht wird … Cargill verkauft möglicherweise an Tradax, das [die Ladung] an einen deutschen Händler veräußert, der sie an einen italienischen Spekulanten abtritt, der sie einem anderen Italiener überlässt, der sie schließlich an Continental verkauft …« 146
Einer der großen Machtfaktoren dieser Handelsriesen ist die vertikale Kontrolle, die sie auf den Markt ausüben.
Konzernsprecher Jim Prokopanko beschreibt am Beispiel des »Hähnchen-Netzes«, was er die totale Kontrolle über die Nahrungskette nennt. 147 Cargill produziert den Phosphatdünger in Tampa, Florida. Damit düngt das Unternehmen seine Sojaplantagen in den Vereinigten Staaten und Argentinien. In firmeneigenen Fabriken werden die Sojabohnen zu Mehl verarbeitet.
Mit Cargill-Frachtern wird das Mehl nach Thailand gebracht, wo es auf Hühner-Farmen im Besitz von Cargill an die Tiere verfüttert wird. In fast vollautomatischen Cargill-Betrieben werden die Tiere geschlachtet und ausgenommen.
Cargill verpackt die Hähnchen.
Cargills Flotte transportiert sie nach Japan, Amerika und Europa. Cargill-Lastwagen bringen sie schließlich in die Supermärkte, großenteils ebenfalls Eigentum der Familien MacMillan und/oder Cargill, die 85 Prozent der Aktien des transkontinentalen Trusts besitzen.
Auf dem Weltmarkt wirken die Oligopole mit ihrem ganzen Gewicht auf die Preisgestaltung der Nahrungsmittel ein. Natürlich zu ihrem Vorteil, das heißt, sie provozieren Höchstpreise! Doch wenn es darum geht, einen lokalen Markt zu erobern, Konkurrenten auszuschalten, greifen die Kraken des Getreides auch gerne einmal zu Dumpingpreisen. Beispiel: Die Vernichtung der einheimischen Geflügelzucht in Kamerun. Die massive Einfuhr billiger ausländischer Hähnchen hat dort Zehntausende Familien – die Besitzer von Geflügel- und Eierfarmen – in den Ruin getrieben.
Kaum sind die einheimischen Erzeuger ausgeschaltet, erhöhen die Konzernherren ihre Preise massiv.
Häufig üben die transkontinentalen Kraken einen entscheidenden Einfluss auf die Politik internationaler Organisationen und fast aller westlichen Regierungen aus.
Die Konzernmogule gebärden sich als entschlossene Feinde des Rechts auf Nahrung.
Wie bereits dargelegt, geht ihre Argumentation wie folgt: Der Hunger ist tatsächlich eine skandalöse Tragödie. Verantwortlich ist eine unzulängliche Produktivität der Weltlandwirtschaft, das heißt, die Unfähigkeit, mit ihrem Ertrag den vorhandenen Bedarf zu decken. Um den Hunger zu bekämpfen, muss folglich die Produktivität erhöht werden, ein Ziel, das sich nur unter zwei Bedingungen erreichen lässt: erstens, einer maximalen Industrialisierung der landwirtschaftlichen Produktionsprozesse mit höchstmöglichem Kapitaleinsatz und fortschrittlichster Technik (transgenem Saatgut, hochwirksamen Pestiziden 148 , etc.), mit dem Nebeneffekt, dass die unzähligen angeblich »unproduktiven« Familien- und Subsistenzbetriebe beseitigt werden; zweitens, der weitestgehenden Liberalisierung der Weltagrarmärkte.
Nur ein vollkommen freier Markt ist in der Lage, ein Höchstmaß an wirtschaftlichen und produktiven Kräften freizusetzen. Soweit das Credo. Jeder normative Eingriff in das freie Spiel der Kräfte – egal, ob staatlicher oder zwischenstaatlicher Art – müsse die Entfaltung dieser Marktkräfte hemmen.
Die Vereinigten Staaten – und die sie unterstützenden zwischenstaatlichen Organisationen – bekämpfen das Recht auf Nahrung. Ich räume ein, dass ihre Haltung weder auf Blindheit noch auf Zynismus beruht.
Im Weißen Haus weiß der Präsident genau, wie grauenhaft der Hunger in den Ländern des Südens wütet. Wie alle anderen zivilisierten Länder geben auch die Vereinigten
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