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Wir lassen sie verhungern

Wir lassen sie verhungern

Titel: Wir lassen sie verhungern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziegler Jean
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Impfstoffe und Pflege.
    Die ICDs werden aber von der FCI versorgt. Beim Kampf gegen die Geißel des Hungers spielt das PDS also eine entscheidende Rolle.
    Wenn die WTO bestrebt war, das PDS abzuschaffen, so deshalb, weil die Existenz und Funktion dieses Systems allen Grundsätzen des ungehemmten Freihandels zuwiderlief.
    Hardeep Singh Puri, der indische UN-Botschafter in Genf, ein Sikh mit imposantem schwarzen Turban und grenzenloser Energie, kämpfte unermüdlich gegen diesen Abschaffungsplan. In Neu-Delhi hatte er zwei ebenso entschlossene Verbündete: seinen Bruder Manjeev Singh Puri, Staatssekretär im Außenministerium, und den Landwirtschaftsminister Sharad Pawar. Gemeinsam haben sie das PDS gerettet und die WTO in ihre Schranken gewiesen.
    166 Mémorandum des WFP, 8. Dezember 2005.
    167 Öffentliches Verteilungssystem.
    168 Jean Drèze, Amartya Sen, Athar Hussain, Political Economy of Hunger , Oxford, Clarendon Press, 1995.
    169 Der IFAD hat seinen Sitz in Rom.
    170 1 Rupie = weniger als 10 Eurocent (Wechselkurs von 2005).

4
    Savonarola am Ufer des Genfer Sees
    Pascal Lamy ist der Savonarola des Freihandels.
    Er ist ein Mensch von beeindruckender Willenskraft und analytischer Intelligenz. Seine gegenwärtige Stellung und seine bisherige berufliche Laufbahn verschaffen ihm Einfluss und Prestige in einem Maße, das heute nur wenige internationale Führungskräfte aufzuweisen haben.
    Die WTO hat gegenwärtig 153 Mitgliedsstaaten. Ihr Sekretariat in der Rue de Lausanne in Genf beschäftigt rund 750 Beamte.
    Lamy ist ein sehr disziplinierter, asketischer Mann, der Marathon läuft. Nach eigenem Bekunden legt er pro Jahr 450000 Kilometer im Flugzeug zurück und vermag anscheinend mühelos die Probleme der Zeitverschiebungen zu verkraften … und die endlosen Nachtsitzungen, die in der WTO üblich sind.
    Pascal kennt keine Stimmungen. Einer Journalistin, die ihn interviewte, erklärte er: »Ich bin weder Optimist noch Pessimist. Ich bin Aktivist.« 171
    Lamy ist ein Machtmensch. Ihn interessieren nur Kräfteverhältnisse.
    Frage der Journalistin: »Wie dem IWF wird Ihnen von einem Teil der öffentlichen Meinung vorgeworfen, die Ärmsten der armen Länder zu unterdrücken …«
    Antwort des WTO-Generaldirektors: »Ein Abkommen gibt stets das Kräfteverhältnis im Augenblick der Unterzeichnung wieder.«
    Als ehemaliger EU-Kommissar für Außenhandel hat er die WTO von Anfang an geprägt. Eines seiner Bücher – L’Europe en première ligne , insbesondere das Kapitel »Les cent heures de Doha« – gibt Aufschluss über seinen unermüdlichen Kampf gegen jede Form der normativen oder sozialen Kontrolle der Märkte. 172
    Auf die meisten der bei der WTO akkreditierten Botschafterinnen und Botschafter, auf seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übt er zweifellos große Faszination aus. Wie einst Savonarola im Florenz des 15. Jahrhunderts lässt Lamy nichts durchgehen. Stets wachsam, macht er erbarmungslos Jagd auf die Häretiker des Freihandelsdogmas. Seine Zuträger sind überall.
    Das habe ich am eigenen Leib erfahren. Jeden September findet auf Initiative des bemerkenswerten Jean-François Noblet in der kleinen Ortschaft L’Albenc, in den Bergen des Dauphiné, einige Dutzend Kilometer von Grenoble entfernt, das Festival de la Vie statt, das gemeinsam von den sozialen Bewegungen, den Gewerkschaften und den religiösen Gemeinschaften der Region veranstaltet wird. Dort habe ich im September 2009 eine Rede gehalten. Bei dieser Gelegenheit habe ich – allerdings in maßvoller Form – die Strategie der WTO im Hinblick auf den Nahrungsmittelhandel kritisiert.
    Am Himmel schimmerte der Vollmond. Im großen Zelt drängten sich die Menschen. Die Diskussion endete erst nach Mitternacht. Sie wurde mit großer Leidenschaft geführt.
    Doch im Publikum saß ein Mann (oder eine Frau), ein Informant von Pascal Lamy.
    Am 29. September 2009 erhielt ich folgenden Brief, der so »politisch« gehalten ist, dass ich ihn hier zitieren will:
    Lieber Jean,
    wieder einmal muss ich bestürzt zur Kenntnis nehmen, dass Sie mich in diffamierender Weise in Frage gestellt haben, dieses Mal auf einer Konferenz in L’Albenc: Meine Handlungen seien »ganz gegen die Interessen der Hungeropfer«. Starker Tobak! Die WTO betreibe in aller Eile den Abschluss der Doha-Entwicklungsrunde … was darauf hinauslaufe, noch mehr Menschen zu töten …?
    Das ist natürlich absurd! Die Mitglieder der WTO verhandeln seit acht Jahren über ein Mandat, das sie sich

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