Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir lassen sie verhungern

Wir lassen sie verhungern

Titel: Wir lassen sie verhungern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziegler Jean
Vom Netzwerk:
gekauft.
    Auch 2011 kaufte das WFP Tausende Tonnen Mais, Reis, Weizen und Spezialnahrung – für Kinder unter zwei Jahren, für Schwangere und stillende Mütter – in Argentinien, Mexiko, Thailand, aber auch in Europa (vor allem die Nährflüssigkeit, die intravenös verabreicht wird).
    Am 11. Februar 2011 konnte Josette Sheeran, die Exekutivdirektorin des WFP, auf einer Pressekonferenz in Rom bekanntgeben, dass das WFP zum ersten Mal mehr als 80 Prozent seiner Nahrungsmittelkäufe in Ländern der südlichen Hemisphäre abgewickelt hatte.
    Im ersten Teil dieses Buchs erinnere ich an die klare Trennung der Vereinten Nationen zwischen dem strukturellen Hunger, den die FAO bekämpfen soll, und dem konjunkturellen Hunger, den das WFP zu lindern versucht. Diese Unterscheidung bedarf hier der Erläuterung.
    Laut Definition der UN-Vollversammlung hat das WFP das Mandat, »den Hunger und die Armut in der Welt zu beseitigen, indem es Soforthilfe leistet und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung unterstützt. Insbesondere soll das WFP die Kindersterblichkeit senken, den Gesundheitszustand Schwangerer verbessern und gegen den Mikronährstoffmangel kämpfen«. Neben der Lebensmittelsoforthilfe hat das WFP daher bis 2009 für die Schulspeisung von 22 Millionen Kindern in den ärmsten Ländern der Welt gesorgt.
    Nun sind aber aus Gründen, auf die ich später eingehen werde, eine große Zahl dieser Mahlzeiten vor kurzem wieder gestrichen worden.
    Mit seinem Programm Food for Work (Nahrung für Arbeit) hat das WFP außerdem eine neue Form der Intervention entwickelt. Die arbeitsfähigen Hungeropfer werden vom WFP für verschiedene Aufgaben eingesetzt: Ausbesserung von Straßen, Wiederaufbau zerstörter Brücken, Bodensanierung, Instandsetzung von Bewässerungskanälen, Reparatur beschädigter Silos, Renovierung von Schulen und Krankenhäusern. Als Entgelt für ihre Arbeit erhalten die Familienväter und -mütter Naturalien: Für so und so viele Tage Arbeit so und so viele Sack Reis.
    Alle Baustellen des Projekts »Nahrung für Arbeit« werden von den betroffenen Bevölkerungsgruppen selbst bestimmt. Sie entscheiden, welche vorrangig in Angriff genommen werden sollen.
    Zum ersten Mal sah ich eine solche Baustelle im Südkaukasus, in Georgien, in Betrieb.
    Dieses wunderschöne, uralte Land wurde in letzter Zeit von zwei Bürgerkriegen heimgesucht. 1992, nach dem Zerfall der Sowjetunion, erklärten zwei separatistische georgische Regionen, Südossetien und Abchasien, ihre Unabhängigkeit. Daraufhin hat die Regierung in Tiflis versucht, die Irredentisten mit Waffengewalt zu besiegen. Hunderttausende, in der Mehrheit Georgier, die in diesen Regionen lebten, strömten auf der Flucht vor den Kämpfen nach Georgien. Doch in dem allgemeinen Niedergang, der auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch der Sowjetunion folgte, fehlten Georgien die Mittel, um die Flüchtlinge zu ernähren und medizinisch zu versorgen. Dieser Aufgabe hat sich dann das WFP angenommen, so gut es ging.
    In Georgien wurden die geflohenen Bauern vom WFP auf großen Baustellen eingesetzt, aber nicht mit Geld bezahlt, sondern mit Reis, Mehl und Milchpulver.
    Dank dem WFP wird Tausenden von verfolgten Familien, die Opfer der umfangreichen »ethnischen Säuberungen« wurden, zu denen es im Laufe dieser Kriege kam, seit zwanzig Jahren wieder eine fast normale Ernährung ermöglicht.
    Seither habe ich ganz ähnliche Baustellen auf den ausgedörrten Hochebenen von Mekelle, im nordäthiopischen Tigray, gesehen, wo in dem groben Sand nur einige armselige Hirsehalme sprießen, aber auch in der Sierra von Jocotán in Guatemala und auf der Ebene von Selenge in der Mongolei, am Rand der riesigen sibirischen Taiga. Überall war ich beeindruckt von dem Feuereifer, mit dem sich die Familien an diesen Programmen beteiligten.
    »Nahrung für Arbeit« verwandelt diese Opfer in Akteure, die ihre Zukunft gestalten, ihre Würde zurückgewinnen, beim Wiederaufbau ihrer angeschlagenen Gesellschaft helfen und, um die Formulierung des WFP zu verwenden, »Hunger in Hoffnung verwandeln« – Turn hunger into hope (so habe ich es auf dem Schild einer WFP-Baustelle in Rajshahi, Bangladesch, gelesen).
    Das WFP ficht auch exemplarische diplomatische Kämpfe aus. Wie das IKRK 176 zweifelt es am Nutzen der »humanitären Korridore«, das heißt, der angeblich »neutralen« Zonen, in denen die UNO zentrale Nahrungsdepots anlegen lässt, um Flüchtlinge und Vertriebene zu retten.
    An sich ist die

Weitere Kostenlose Bücher