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Wir lassen sie verhungern

Wir lassen sie verhungern

Titel: Wir lassen sie verhungern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziegler Jean
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der Konferenz von Cancún im Jahr 2003 noch nicht hatte abschließen können. Dort unterzieht Olivier De Schutter die Strategie der WTO einer strengen Kritik. Er schreibt: »Wenn wir wünschen, dass der Handel der Entwicklung förderlich ist und dass er dem Recht auf ausreichende Ernährung dient, müssen wir die Besonderheit von Agrarprodukten anerkennen, statt sie wie beliebige Waren zu behandeln.« 175
    Praktisch alle NGOs und Bauerngewerkschaften, aber auch zahlreiche Staaten des Südens verlangen, das Übereinkommen über den Handel mit Agrargütern der Zuständigkeit der WTO und damit der Doha-Runde zu entziehen. Diese Meinung wird besonders deutlich dargelegt in »Note conceptuelle pour le Forum social mondial (FSM)«, Februar 2011 in Dakar, verfasst von dem wissenschaftlichen Ausschuss unter Leitung von Samir Amin, sowie in dem Dokument, das von Via Campesina eingebracht und von der Vollversammlung des FSM verabschiedet wurde.
    Die Nahrung, so sagen sie, muss als öffentliches Gut betrachtet werden.
    Olivier De Schutter hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Und ich auch.
    171 Sonia Arnal, Le Matin-dimanche , Lausanne, 12. Dezember 2010.
    172 Pascal Lamy, L’Europe en première ligne , mit einem Vorwort von Éric Orsenna, Paris, Éditions du Seuil, 2002, vor allem die Seiten 147 ff.
    173 Eine Einschränkung allerdings: Für die 50 »am wenigsten entwickelten« Länder unterliegt bei bestimmten Produkten der Zugang zu den Märkten des Nordens einer Sonderregelung.
    174 Übersetzung teilweise: www.blw.admin.ch/themen/00009/ 00195/index.html (aufgerufen am 6. Juni 2012).
    175 Olivier De Schutter, »Mission auprès de l’Organisation mondiale du commerce«, UN-Dokument A/HRC/10/005/Add 2.

VIERTER TEIL
    Der Ruin des WFP
und die Ohnmacht der FAO

1
    Das Entsetzen eines Milliardärs
    Die FAO und das Welternährungsprogramm (WFP) sind das große und schöne Vermächtnis von Josué de Castro. Jetzt aber sind diese beiden Institutionen vom Ruin bedroht.
    Wir erinnern uns, als Europa am Ende der faschistischen Schreckensherrschaft einen Prozess der Bewusstwerdung erlebte, sind sie gegründet worden: die FAO 1945, das WFP 1963.
    Das WFP ist bescheidener untergebracht als die FAO. Sein Hauptsitz liegt in einem ziemlich armseligen Vorort von Rom, zwischen einem Friedhof, unbebauten Grundstücken und einer Keramikfabrik. Trotzdem ist das WFP die mächtigste humanitäre Organisation der Welt. Und auch eine der wirkungsvollsten.
    Ihre Aufgabe ist die humanitäre Soforthilfe.
    2010 wies die Liste der WFP-Begünstigten fast 90 Millionen hungernde Männer, Frauen und Kinder auf.
    Das WFP beschäftigt gegenwärtig etwas mehr als 10000 Menschen, von denen sich 92 Prozent vor Ort, bei den Opfern, befinden.
    Innerhalb des UN-Systems genießt das WFP große Unabhängigkeit. Es wird von einem Verwaltungsrat geleitet, der sich aus Vertretern von 36 Mitgliedsstaaten zusammensetzt.
    Die Vereinigten Staaten liefern ungefähr 60 Prozent der Beiträge für das WFP. Jahrzehntelang bestanden die amerikanischen Beiträge vorwiegend aus Naturalien: Die Vereinigten Staaten überließen ihre enormen Agrarüberschüsse dem WFP. Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Die amerikanischen Überschüsse schmelzen sehr rasch zusammen, vor allem wegen der Herstellung von Agrokraftstoffen in sehr großem Maßstab, ein Wirtschaftszweig, der mit Milliarden Dollar an öffentlichen Geldern subventioniert wird und von dem wir später reden.
    Dadurch sind seit 2005 die Washingtoner Naturalbeiträge für das WFP um rund 80 Prozent gefallen. Trotzdem leisten die Vereinigten Staaten immer noch – und zwar bei weitem – den höchsten finanziellen Beitrag zum WFP.
    Die europäische Leistung ist bescheidener: 2006 hat Großbritannien 835 Millionen Dollar beigesteuert, Deutschland 340 Millionen. Der französische Beitrag ist ausgesprochen schwach: 67 Millionen Dollar im Jahr 2005, 82 Millionen 2006.
    Um die Frachtkosten auf ein Minimum zu beschränken, aber auch, um die Landwirte des Südens nicht zu benachteiligen, bemüht sich das WFP, die Lebensmittel in den Regionen zu kaufen, die den Katastrophengebieten am nächsten liegen.
    2010 hat das WFP für 1,5 Milliarden Dollar Nahrungsmittel gekauft.
    2009/10 ist die Hilfe vorwiegend drei speziellen Gruppen zugute gekommen: den Opfern der Überschwemmungen in Pakistan, der Trockenheit im Sahel und des Erdbebens auf Haiti.
    Überwiegend wurden die Lebensmittel in Äthiopien, Vietnam und Guatemala

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