Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
gleichmäßig ab, bis er sich im hohen Alter bei Null einpendelt. (Homosexuelle Männer haben vom Alter her tendenziell die gleichen Neigungen wie heterosexuelle, nur sind sie ein bisschen extremer – ihre Wunschpartner sind in jungen Jahren viel älter, im Alter dafür dann viel jünger.)
Bei der Interpretation dieser Daten müssen wir allerdings vorsichtig sein. Auch hier könnte man nämlich einwenden, dass sie nicht unbedingt das belegen, was Menschen wollen, sondern das, was sie ganz pragmatisch glauben, erreichen zu können. Würdeein Siebzigjähriger wirklich eine Siebenundzwanzigjährige suchen und glauben, dass sein Traum in Erfüllung geht? Dann sind diese Daten natürlich nicht zu verallgemeinern, denn hier hat man es mit Leuten zu tun, die in keiner Beziehung leben und (hoffentlich) nicht verheiratet sind. Dennoch weist alles darauf hin, dass Männer tendenziell auf jüngere Frauen stehen und Frauen auf ältere Männer. Also stimmen sie mit dem überein, was Evolutionsbiologen nicht müde werden zu referieren: Bei Paar-bildenden Spezies, deren Nachkommen lange brauchen, bis sie die Selbständigkeit erreichen, suchen sich die Männchen bevorzugt Weibchen aus, die noch viele Jahre gebärfähig sind. Die Männer, die in der Geschichte der Menschheit den Merkmalen weiblicher Jugend erlagen, sich mit jungen Frauen zusammentaten und die fruchtbaren Jahren ihrer Partnerin optimal nutzten – sie waren es, die ihre Gene an die heute lebenden Männer weitergaben, welche wiederum genetisch darauf programmiert sind, genau das Gleiche zu tun.
Brennt man also als Middle-Ager mit einer Jüngeren durch, ist das nach dieser Theorie keineswegs ein »narzisstisches Auftanken«, sondern ein vollkommen vernünftiges Vorgehen. Ein faszinierendes Gegenbeispiel aus unserer näheren Verwandtschaft unterstreicht diesen Gedanken. Schimpansenkinder brauchen zum Aufwachsen nicht so lange wie unsere, zudem sind Schimpansen lockerer drauf als wir und gehen keine monogamen Langzeitbeziehungen ein. Ihre Fortpflanzung läuft also völlig anders ab als unsere. Und tatsächlich paaren sich Schimpansenmännchen bevorzugt mit Weibchen, die älter sind als sie. Was immer auch der Grund dafür sein mag (vielleicht weil ältere Weibchen schon bewiesen haben, dass sie Schimpansen-Babys aufziehen können?), ist der Gegensatz zu uns Menschen doch frappierend, und er legt nahe, dass unser Verständnis der männlichen Paarungsvorlieben richtig ist.
Aber kann all dies das Verhalten von Middle-Agern wirklich erklären? Man sollte zunächst bedenken, dass Männer mittleren Alters junge Frauen zwar durchaus attraktiv finden, dass aber der Drang, sofort mit ihnen im Bett zu landen, von Middle-Agern bei Weitem nicht so stark empfunden wird, wie allgemein angenommen. Schaut man genauer hin, dann merkt man, dass die Welt keineswegs voller notgeiler Middle-Ager ist, die zwanzigjährigen Sirenen nachjagen. Es will auch nicht recht einleuchten, warum Männer vor Erreichen des vierundzwanzigsten Lebensjahres auf ältere Frauen stehen und erst ab da »vernünftig« werden und sich den jüngeren zuwenden. So wie es aussieht, haben Frauen in unserer prä-ackerbaulichen Vergangenheit etwa mit sechzehn begonnen, Kinder zur Welt zu bringen. Warum sind Männer dann nicht darauf programmiert, sich das Reproduktionspotenzial von Sechzehnjährigen zunutze zu machen? Und gerade Middle-Ager müssten doch im Grunde irgendwelchen sechzehnjährigen Backfischen den Hof machen und nicht Frauen in ihren Zwanzigern, die sich ja bereits auf einem vergleichsweise absteigenden Ast befinden, oder nicht?
Natürlich können der Wunsch nach einer Weitergabe von Genen und eine anhaltende Fruchtbarkeit einen Mann immer in Versuchung führen, seine mittel-alterliche Beziehung zugunsten einer jüngeren, fruchtbareren Partnerin aufzugeben. Doch in Wirklichkeit kommt so etwas selten vor, und meist bleiben mittelalterliche Männer bei ihren langjährigen Partnerinnen, um die elterlichen Pflichten im Verbund mit der Person zu erfüllen, mit der sie so viel investiert haben. Und sollte das ein zu geringer Antrieb sein, dürfte sie der bloße Gedanke an erneute Werberituale sowie Windelwechseln und nächtliches Zahnen ganz schnell wieder auf den Pfad der Tugend bringen.
Ein komplett anderer Ansatz, die vermeintlichen Ausbruchstendenzen der Middle-Ager zu erklären, hat mit ihrer Haltungzur eigenen Sterblichkeit zu tun. Drastisch formuliert: »Weg mit der Alten – weg mit dem Alter!«
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