Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
zuverlässige Planung der Altersvorsorge ist fast unmöglich geworden. Manche Männer gehen früher in Ruhestand, andere müssen länger arbeiten und sich auch noch darüber ärgern, dass die, die sich zur Ruhe setzen konnten, oft genug die sind, die ihnen schon bei der Arbeit das Leben schwer gemacht haben. Kurz, es gibt keine biologische Erklärung für die Zwickmühle, in der sich Middle-Ager im heutigen Wirtschaftsleben befinden. Krisen mögen von außen angeregt sein, von innen aber definitiv nicht.
Und warum werden Männer im mittleren Alter wieder zu Teenagern? Warum habe ich mir den Lotus gekauft? Darüber können die Psychologen wenig sagen, außer, dass eine Infantilisierung der mittel-alterlichen Psyche wissenschaftlich nicht erwiesen ist. Könnte es vielleicht sein, dass Männer im mittlerenAlter keineswegs in ihre Jugend regredieren, sondern vielmehr auch als Erwachsene gar nicht so viel anders sind als früher? Genau betrachtet, ist doch die einzige Veränderung die gewesen, dass man ab etwa vierzehn ein gesteigertes Interesse an Mädchen hatte – ansonsten sind die Vorlieben seit dem dritten Lebensjahr mehr oder weniger die gleichen geblieben. Männer mögen körperliche Betätigung, Wettkämpfe, Räder und Maschinen, sie stellen gern Sachen her, machen andere gern kaputt, sind insgesamt vornehmlich damit beschäftigt, irgendwelche Dinge aufzutreiben und damit herumzumachen. Pubertät und die Entdeckung der Liebe sind kaum mehr als Ablenkungen, und mit dem ersten Kind bestätigt sich all das. Jetzt, da ich stolzer Vater eines Sohnes bin (Söhne sind für Middle-Ager eine erstklassige Ausrede für schamloses Spielen), habe ich wiederentdeckt, oder besser erkannt und akzeptiert, wie sehr ich Lego liebe. Ich spiele heute genauso gern Lego wie mit fünf – das Spiel hat keine neuen Komponenten gewonnen, keinen neuen Anreiz –, und ich würde wetten, dass viele Männer genau das Gleiche erleben. Wahrscheinlich hätte ich auch als Zwanzigjähriger gerne mit Lego gespielt, aber ich denke mal, ich habe es beiseite gelegt, um mich nicht vor meinen gleichaltrigen Kumpels zu blamieren oder Gefahr zu laufen, kein Mädchen abzukriegen. Jetzt geht es mir wie vielen anderen Männern meines Alters: Ich habe ein bisschen mehr Geld, ein bisschen weniger Stolz und insgesamt das Gefühl, dass der Zeitpunkt gekommen ist, ein wenig egoistischer zu sein und einige der Träume, die ich als Fünfjähriger hatte, Wirklichkeit werden zu lassen. Sobald Männer ein bisschen älter sind, können sie endlich jung sein. Deshalb der Lotus.
Ein letzter Aspekt des Mythos von der Midlife-Crisis ist so in uns verankert, dass wir ihn meist übersehen, außer, es spricht ihn jemand an. In unserer politisch korrekten, postfeministischen und vom Jugendwahn geprägten Welt gibt es eine Gruppe vonMenschen, auf der ungestraft herumgehackt werden kann, und das sind die Männer mittleren Alters. Beim nächsten Fernsehabend sollte jeder mal bewusst darauf achten, wer da in Komödien, Dramen und Werbespots vorgeführt wird. Oft genug werden Middle-Ager als armselige Trottel dargestellt, die von ihrer blitzgescheiten Ehefrau und ebensolchen Kindern belächelt und im besten Fall toleriert werden. Mittel-alterliche Hauptfiguren sind meist nicht gut gebaut und insgesamt so unattraktiv, dass die strahlende Schönheit ihrer Filmpartnerinnen noch unwirklicher wirkt, als sie das ohnehin schon tut. Ich meine hier nicht die wunderbare Komik von absurden, auf höchst intelligente Weise dummen Middle-Agern wie Homer Simpson oder Peter Griffin, sondern das schleichende Gift schlampig entworfener Figuren, die offenbar nichts brauchen als die herablassende Akzeptanz durch ihre genervte, kleinbürgerliche Familie. Über mittel-alterliche Männer kann man sich in den Medien natürlich prima lustig machen, gerade weil es auch diejenigen sind, die in der Gesellschaft die Führungspositionen innehaben. Trotzdem kommt es mir vor, als würde die Art ihrer Verwendung in den zeitgenössischen Medien die Überzeugung nähren, dass mit Middle-Agern von Grund auf etwas nicht stimmt.
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Vor allem gibt die Midlife-Crisis aber eine wunderbare Geschichte her. Wir alle lieben Geschichten, und es spielt eigentlich keine Rolle, ob sie wahr sind oder nicht. Vielleicht werden sie dadurch sogar noch besser. Die Midlife-Crisis ist ein derart knackiges und griffiges Konzept, dass man gar nicht anders kann, als an sie zu glauben – auch wenn sie keinerlei psychologische
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