Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
Wohlbefinden, Glückszuständen und darüber hinaus partnerschaftlicher Erfüllung führt – wobei hier unklar ist, ob das geschieht, weil Sorge und Erziehungsstress wegfallen oder weil auf einmal mehr Geld zur Verfügung steht. Die meisten Psychologen sind mittlerweile der Ansicht, dass der Auszug der Kinder sich auf die Stimmung der Eltern nicht eins zu eins auswirkt. Für manche ist das »Leeres-Nest-Syndrom« auch nichts als ein Märchen. Meiner Meinung nach existiert es zumindest als etwas, das wunderbar zeigt, wie unterschiedlich Menschen auf ein und denselben Reiz reagieren können.
Es wird oft behauptet, dass sich das leere Nest auf Mütter stärker auswirkt als auf Väter. Aber stimmt das auch?
Viele Evolutionsbiologen glauben, dass die unterschiedlichen Rollen bei der Fortpflanzung bei Männern und Frauen unaufhaltsam zu einer Arbeitsteilung geführt haben, die sich in menschlichen Gemeinschaften rund um den Erdball kaum unterscheidet. Es sei dahingestellt, ob daran wirklich die Biologie schuld ist, jedenfalls obliegt in den meisten Kulturen den Frauen, dass sich die Kinder geborgen fühlen, wohingegen Männer für körperliches Wohlbefinden und Nahrungsbeschaffung zuständig sind. Nun wurde überlegt, ob als Resultat dieser Spezialisierung die Zuwendung der Mutter in den Teenagerjahren des Kindes immer weniger gebraucht wird, wohingegen der Einsatz des Vater auf lange Sicht hin erforderlich ist, insbesondere, wenn die Familie groß ist. Die Frau würde also ihre Rolle im Middle-Age verlieren, der Mann dann erst im fortgeschritteneren Alter. Aus dem Grund müsste das »Leeres-Nest-Syndrom« bei Frauen eher auftreten als bei Männern.
Die Zusammenhänge zwischen unserer Entwicklungsgeschichte und dem Auftreten einer Trauer nach Verlassen des Nests sind aber ein bisschen komplizierter. Zunächst gibt es bei der genannten Arbeitsteilung fließende Übergänge – Männer schmusen nämlich genauso mit ihren Kindern, wie Frauen sich an der Nahrungssuche beteiligen, und vermutlich war das in der gesamten Geschichte unserer Spezies kein bisschen anders. Des Weiteren dürfte auf der Hand liegen, dass eine Arbeitsteilung sehr effizient ist, um ein gemeinsames Anliegen zu erreichen. Man findet sie auch bei homosexuellen Paaren, heterosexuellen Paaren ohne Kinder sowie heterosexuellen Eltern mit »verkehrten« Rollen. Die Details dieser Arbeitsteilung können dabei zwischen Individuen genauso variieren wie zwischen den Kulturen. Soziologen gehen heute so weit, die Rolle des Mannes als alleinigem »Brötchenverdiener«über weite Strecken unserer Geschichte anzuzweifeln – sie betrachten den kurzen Zeitraum zwischen 1870 und 1960, in dem die normale Rollenverteilung zwischen Mann und Frau von einem Kult der weiblichen Häuslichkeit überlagert wurde, als eher atypischen Abschnitt in der Geschichte unserer westlichen Zivilisation.
Wie dem auch sei, die »Abnabelung« eines Kindes ist ein überraschend komplizierter Vorgang, und wir sollten uns nicht wundern, wenn Väter und Mütter ganz unterschiedlich darauf reagieren. Untersuchungen zufolge fühlen sich Männer männlicher, wenn Kinder im Haus sind, wohingegen Frauen in ihrer Weiblichkeit dadurch nicht beeinflusst sind; man könnte also annehmen, dass ein leeres Nest sich auf das Selbstwertgefühl von Vätern stärker auswirkt als auf das von Müttern. Middle-Ager-Eltern sind zudem stark von dem beeinflusst, was andere von ihnen denken. Es gibt Untersuchungen, nach denen Testpersonen von einem Mann, der ein Kind bei sich hat, als Spontaneindruck angeben, er sei vermutlich großzügig und habe einen hohen sozioökonomischen Status, von einer Frau mit Kind hingegen, sie sei wenig ehrgeizig. Und man darf vermuten, dass sich diese Wahrnehmungen ändern, sobald die Kinder von Middle-Agern aus dem Haus sind. Außerdem hat es ganz den Anschein, als hinge die Reaktion der Eltern auch davon ab, welches Kind das Nest verlassen hat. Psychologischen Studien zufolge ziehen Männer aus der Entfernung ihrer Kinder noch mal richtig Kraft – Söhne stellen für sie eine Art Stellvertreter und damit so etwas wie eine zweite Chance dar, und bei den Töchtern legen sie sich in Sachen Schutz und Fürsorge weit über das Verlassen des Elternhauses hinaus ins Zeug. Bei Müttern sind die Reaktionen hingegen nicht so eindeutig, zudem sind sie oft neidisch auf die Möglichkeiten, die ihren Töchtern in puncto Sex und Ausbildung offenstehen.
Ein weiteres Problem des
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