Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
»erwünschter« als die von jungen Eltern. Und der größere Altersunterschied zwischen den Generationen bringt auch durchaus Vorteile mit sich. Am positivsten scheint sich ein älterer Vater auszuwirken, wobei hier der Umstand mit hereinspielt, dass Väter aus biologischen Gründen altersmäßig variabler sind. Ein alter Vater kann beispielsweise ein umsichtiger Mentor sein und sich sehr von einem so engagierten wie bewegten Windelwechsler unterscheiden. Vielleicht liegt es wirklich am urzeitlichen Wandel des mittel-alterlichen Gehirns – die Konzentration auf ein paar wenige, auserlesene Individuen sowie der Drang, kulturelle Information weiterzugeben –, dass eine Elternschaft im Middle-Age etwas anderes ist als vorher.
Das Thema Elternschaft im Middle-Age ist also ganz schön kompliziert. Wir haben klare Nachteile gegenüber einem früheren Zeitpunkt ausgemacht und sind darüber auch nicht sonderlich verwundert. Wobei die Nachteile nicht wirklich groß sind. Chromosomenanomalien nehmen bei älteren Müttern zwar zu, aber sie tun das bei Weitem nicht so stark, wie allgemein angenommen. Auch gibt es bei älteren Vätern einen Anstieg genetischerSchäden, doch sind daraus resultierende Krankheiten insgesamt äußerst selten.
Man kann hier ein Muster erkennen, das nicht nur für die Evolution des Menschen bedeutend war, sondern sich auch auf die Entscheidung heutiger Paare auswirken kann. Nachteilige Folgen einer späten Elternschaft können in der Tat sehr ausgeprägt sein, nur treten sie äußerst selten auf – zumindest im Vergleich zu den alltäglichen Auslösern eines Kindstodes, denen die Menschheit über ihre ganze Entwicklung hinweg ausgesetzt war. Wenn ein prähistorisches Paar auf die vierzig zuging, bestand ohne Weiteres die Möglichkeit, weitere gesunde Kinder zu zeugen und bis zu ihrer Selbständigkeit am Leben zu bleiben. Im einen oder anderen Fall kam sicher ein Kind mit Chromosomenanomalie oder genetischen Defekten zur Welt, nur starb das vermutlich kurz nach der Geburt und befreite so die Eltern von der Notwendigkeit, hier weiter zu investieren. Man mag eine derart »rechnerische« Behandlung prähistorischer Babys herzlos finden, aber Tatsache bleibt, dass die Kalkulation eindeutig zugunsten der Middle-Ager ausging.
17. Was steckt hinter dem »Leeres-Nest-Syndrom«?
Sind manche Middle-Ager damit beschäftigt, Kinder in die Welt zu setzen, ist der Großteil in der Situation, dass die Kinder jetzt von daheim ausziehen.
Nichts kennzeichnet das Middle-Age so stark wie der Umstand, dass in dieser Phase die Kinder das Haus verlassen. Bei den meisten Säugetieren sind die Eltern, insbesondere die Mutter, die treibende Kraft bei der Trennung von den Nachkommen – sie stoßen sie von den Zitzen weg, werfen sie aus dem Nest oder ziehen davon und überlassen sie sich selbst. Beim Menschen ist der Trennungsprozess in zweierlei Hinsicht ungewöhnlich: Erstens geschieht er nicht nach dem Abstillen (auf die Laktationszeit folgen noch viele Jahre der Fürsorge), zweitens sind es meist die Jungen, die eine Trennung herbeiführen. Teenager distanzieren sich von ihren Eltern ganz aktiv, sowohl körperlich als auch emotional. Die Vorstellung vom leeren Nest passt also ganz gut in unseren Middle-Age-Dreiklang besonders-abrupt-einzigartig – es ist besonders, weil die Kinder genau im hier behandelten Zeitraum davonziehen, abrupt, weil das quasi von heute auf morgen geschieht, und einzigartig, weil beim Menschen der Nachwuchs aus freien Stücken geht. Das Verhalten Heranwachsender ist vom Drang nach Unabhängigkeit geprägt, und es ist erwiesen, dass es für ihr späteres Wohlergehen als selbständige und glückliche Erwachsene unabdingbar ist. Junge Menschen haben sich in der Menschheitsgeschichte also schon immer von den Eltern wegbewegt,auch wenn sie Teil eines weiter gefassten Familien- oder Stammesverbunds blieben.
Auf den ersten Blick mag es so aussehen, als würde von dieser hart durchgezogenen Trennung allein der Nachwuchs profitieren, wohingegen die Eltern nurmehr hilflos umherirren. Und das umso mehr, als wir ja an jeder Ecke dieses Buches gesehen haben, dass das gesamte Menschenleben darauf ausgerichtet ist, unendliche Investitionen in unseren Nachwuchs zu tätigen. Kalorien, karitativer Umgang, Kultur: Beim Menschen sind die Erwachsenen darauf programmiert, soviel wie möglich in den Nachwuchs zu stopfen. Was passiert also mit einem Erwachsenen, wenn diese Notwendigkeit wegfällt und
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