Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
Klar ist in den Industrieländern Monogamie die Grundlage heterosexueller Beziehungen, aber sie könnte ja auch nichts weiter sein als eine Erfindung, etwas künstlich Geschaffenes. Sollten wir einen Blick zurück in die Geschichte der Menschheit werfen und dabei feststellen, dass lebenslange Monogamie keineswegs der Norm entspricht, dann wären wir gezwungen, die moderne Ehe und ihre Entstehung mit ganz anderen Augen zu betrachten. Könnte es für Männer im Middle-Age vielleicht sinnvoll sein, ihre Partnerin zu verlassen und ihr Glück anderswo zu versuchen? Und für die Frauen vielleicht gleich mit dazu? Wie sind die Menschen veranlagt: monogam, polygam oder promiskuitiv?
Anders ausgedrückt: Sind die Irrungen und Wirrungen in Middle-Ager-Beziehungen vielleicht Beleg dafür, dass wir uns ein durch und durch unnatürliches Fortpflanzungssystem auferlegt haben?
Monogamie tritt bei Säugetieren selten auf – nur 3 bis 5% derArten leben monogam, darunter die Präriewühlmaus, der Biber, das Dikdik (eine Zwergantilope), diverse Seidenäffchen und Fledermäuse –, und bei diesen ist es so, dass der Nachwuchs von beiden Eltern versorgt wird. Bei anderen Tierklassen ist sie häufiger – etwa 90% der Vogelarten leben monogam (seriell oder lebenslang), und auch hier kümmern sich beide Eltern um die Nachkommen. In unserer näheren Verwandtschaft ist Monogamie eher ungewöhnlich – Menschenaffen sind entweder promiskuitiv oder polygam –, weshalb man davon ausgehen kann, dass unsere menschlichen Vorfahren in grauer Vorzeit auch nicht sonderlich monogam waren.
Anthropologen haben herausgefunden, dass die meisten menschlichen Fortpflanzungssysteme auf Polygamie beruhen; sie herrscht in schätzungsweise drei Vierteln aller Kulturen. Dass Polygamie erlaubt ist, heißt aber weder, dass die Männer sie tatsächlich ausüben, noch, dass sie Ausdruck eines männlichen Nicht-genug-Kriegens ist. In »polygamen Gesellschaften« haben Männer meist nur eine Ehefrau, die wiederum ihren sozialen und wirtschaftlichen Status reflektiert. Wenn Männer zusätzliche Frauen heiraten, dann oft, weil diese von verstorbenen Verwandten »vererbt« werden – was normalerweise im Middle-Age passiert. Polygame Ehen sind meist so strukturiert, dass es eine geliebte, vorrangige Primärfrau gibt, mit der über Jahre eine monogame Beziehung geführt wird, bevor dann andere Ehefrauen hinzukommen. Forschungen in Äthiopien haben ergeben, dass Erstfrauen polygamer Männer oft besser dran sind als Frauen in monogamen Ehen – sie heiraten früher, was auf eine höhere »Heiratbarkeit« hindeutet (Reichtum, Status und wahrscheinlich Schönheit), zudem sind ihre Kinder größer, schwerer und wohlgenährter. Die Frauen, die in polygamen Ehen »nachrücken«, sind normalerweise älter und insgesamt eher benachteiligt, weshalb man annimmt, dass sie heiraten, um trotz allem irgendwie»das Beste draus zu machen«. Eine reine Polygamie ist also in Wirklichkeit nicht so weit verbreitet wie angenommen, und da, wo sie existiert, stellt sie nicht unbedingt eine männlich-egoistische Unterwerfung der Frauen dar. (Das Gegenteil, eine »Polyandrie«, bei der eine Frau mehrere Männer hat, kommt selten vor, vermutlich weil sie die Fruchtbarkeit anderer Frauen nicht nutzt und so zur Deckung des gesellschaftlichen Nachwuchsbedarfs uneffizient ist.)
Was die biologischen Zusammenhänge betrifft, ist die Beweislage, ob Polygamie in unserer Geschichte vorherrschend war, uneindeutig. Verfolgt man etwa die auf dem Y-Chromosom vorhandenen Gene zurück in die Geschichte, stellt man fest, dass einzelne Individuen durchaus die direkten Vorfahren einer großen Anzahl von Menschen sein könnten – bei einer der Untersuchungen kam heraus, dass zirka 0,5% der Weltbevölkerung relativ eng miteinander verwandt sind, was man sich durch die Polygamie eines zentralasiatischen Mannes erklärt, bei dem es sich vermutlich um den guten alten Dschingis Khan handelt. Anderen Untersuchungen zufolge hat die Polygamie in der Geschichte der Menschheit keine große Rolle gespielt. Bei Untersuchung der Vermischung der Gene auf X-Chromosomen und anderen Chromosomen stellte man etwa fest, dass das Verhältnis von sich fortpflanzenden Frauen und sich fortpflanzenden Männern irgendwo zwischen 1,1-fach und 1,3-fach anzusiedeln ist – was darauf hindeutet, dass in der Geschichte der Menschheit doch alles recht monogam zuging. Dass die 1,0-Marke verfehlt wurde, muss dabei nicht unbedingt
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