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Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Titel: Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bainbridge
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daran liegen, dass manche unserer Vorfahren dennoch polygam waren, sondern eher daran, dass sie vielleicht seriell monogam waren (also mit mehreren Partnerinnen nacheinander) oder ihre Frauen hin und wieder einfach betrogen haben.
    Untersuchungen anderer Tierarten haben gezeigt, dass man anganz simplen Merkmalen feststellen kann, ob sie sich monogam vermehren. Ein guter Indikator ist zum Beispiel die Körpergröße. Bei polygamen Primaten sind die Männchen oft doppelt so groß wie die Weibchen, wohingegen bei monogamen Unterarten wie den Gibbons Männchen und Weibchen gleich groß sind. Bei uns Menschen sind die Männer 1,2-mal so groß wie die Frauen, was näher bei den Gibbons (1,0) ist als bei den Gorillas (2,0) und erneut nahelegt, dass wir eher am monogamen Ende des Spektrums anzusiedeln sind. Zum gleichen Ergebnis kommen wir, wenn wir uns andere Merkmale ansehen, die in der Tierwelt Anzeichen von Promiskuität sind – bei solchen Arten haben die Männchen große Hoden und speziell gebildete Spermien, die dazu geeignet sind, den Wettlauf zur Eizelle eines Weibchens mit wechselnden Partnern zu gewinnen. Beim Menschen sind die Hoden eher klein, und unser Sperma sieht auch nicht sonderlich rasant aus.
    All dies hat so manchen Forscher zu dem Extremschluss geführt, dass lebenslange Monogamie die eigentlich »menschliche« Art der Vermehrung ist – und dass es für den Homo sapiens seit jeher vollkommen normal ist, im Middle-Age bei seiner menopausalen Partnerin zu bleiben und sich, ohne mit der Wimper zu zucken, weitere Reproduktionsmöglichkeiten durch die Lappen gehen zu lassen. Für ein derartig »vogelartiges« Verhalten könnte man gute Gründe anführen. Menschen müssen bei der erfolgreichen Aufzucht von Nachkommen großen Aufwand betreiben, weshalb es sinnvoll sein kann, sich um die Kinder einer einzigen Frau zu kümmern und nicht weitere in die Welt zu setzen, auf dass dann alle miteinander wegen mangelnder väterlicher Fürsorge elend zugrunde gehen. Es gibt Hinweise darauf, dass das sexuelle Interesse von Männern vermehrt auf Frauen gerichtet ist, die ihnen bereits Kinder geboren haben. So zeigen Untersuchungen bei Jägern und Gartenbauern in Bolivien, dass die »Affären«-Bereitschaft von Männern größer ist, je weniger Kinder sie haben,was sich bei uns darin widerspiegelt, dass die Scheidungsrate bei jungen Erwachsenen höher ist als bei Middle-Agern. (Dabei können wir natürlich nicht ganz ausschließen, dass Middle-Ager weniger Affären haben, weil einfach niemand mehr mit ihnen ins Bett gehen will.)
    Lebenslange Monogamie könnte auch noch andere Vorteile haben. Eine Zusammenarbeit der Männer ist Voraussetzung für das Funktionieren menschlicher Gemeinschaften, doch diese Zusammenarbeit könnte durch ungeregelten Konkurrenzkampf schwerwiegend gestört werden. Deshalb könnte man folgern, dass Männer und Frauen, die monogame Beziehungen pflegen, eher in funktionierenden und friedlichen Gemeinschaften leben. Nicht dass der Einzelne etwa die Wahl gehabt hätte, monogam zu sein oder nicht, nur hatten Menschen mit den Genen für ein monogames Verhalten über die Jahrtausende hinweg eher die Möglichkeit zu gedeihen. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass selbst in unseren heutigen, sexuell recht befreiten Gesellschaften die meisten Leute eine enge Paarbindung eingehen und sich in romantischer oder sexueller Hinsicht nicht anderweitig arrangieren.
    Im Grunde schließt jedoch keine dieser Theorien aus, dass das »eigentliche« Fortpflanzungssystem des Menschen auch eine serielle Monogamie sein könnte (also nicht lebenslang, aber doch lang dauernd). Und tatsächlich ist dieses System bei einer ganzen Reihe heutiger Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften vorzufinden. Hier tun sich Männer und Frauen für zehn Jahre oder mehr zusammen, gehen dann jedoch wieder auseinander und suchen sich jemand Neues. Je älter sie werden, desto geringer sind dabei die Chancen auf Nachwuchs, doch das scheint dem anhaltenden Partnerwechsel keinen Abbruch zu tun. In diesen Gesellschaften haben die Menschen auch immer wieder »außerehelichen« Sex, insbesondere, wenn sie noch jung sind.
    Und viele Anthropologen glauben, dass unser heutiges System,in dem man eine serielle Monogamie im Grunde stirnrunzelnd betrachtet, tatsächlich ein künstlich erzeugtes Gebilde ist – eine verzweifelte Reaktion auf unsere kulturelle Heimsuchung: Ackerbau und Sesshaftigkeit. Man hat allerlei Gründe vorgebracht, warum

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