Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
In vielen Ländern ist der Prozentsatz tatsächlich ziemlich gering – nur etwa 1,5% aller verheirateten Menschen gehen pro Jahr fremd –, aber über die Jahre kommt da trotzdem ganz schön was zusammen. Schätzungen zufolge wagen in den Industrieländern zwischen 40 und 60% der Verheirateten wenigstens einmal einen Seitensprung. Nun sind viele Leute beim Ausfüllen von Fragebögen nicht immer ganz ehrlich, zudem sind Affären oft so unbefriedigend oder gar traumatisch, dass sie nur kurz, einmalig und in der Tat unwichtig sind – zumindest statistisch gesehen.
Dennoch ist es faszinierend, die evolutionären Kräfte zu betrachten, die mittel-alterliche Männer und Frauen zum Fremdgehen antreiben. Für einen urzeitlichen Jäger und Sammler hatte ein außer-dyadisches Tête-à-tête mit hoher Wahrscheinlichkeit Folgen (ich möchte prä-ackerbauliche Verbindungen »Dyaden« nennen, einfach weil ich nicht weiß, ob sie wirklich Ehen im heutigen Sinne waren). Diese Männer konnten also ohne großen Aufwand ein zusätzliches Kind haben, und zudem war es ziemlichunwahrscheinlich, dass ihre Untreue bemerkt wurde. Sie kamen so auch in den Genuss einer Besonderheit der menschlichen Sexualität, nämlich den Umstand, dass sie in aller Zurückgezogenheit stattfindet. »Privater« Sex kommt bei anderen Tierarten selten vor, und man hat sogar vermutet, dass er sich beim Menschen aus den »geheimen« Aktionen entwickelt hat, zu denen Menschenaffen gezwungen sind, wenn sie Konflikte mit den aktuellen Sexualpartnern ihrer Geliebten vermeiden wollen. Die hundertprozentige Gewinnchance, die ein Seitensprung für den urzeitlichen Mann darstellte, erklärt vielleicht, warum Männer, die sich heutzutage in Affären stürzen, oft genug sagen, sie hätten »blind« oder unbedacht gehandelt. Und warum wirken sie zudem auch meist vollkommen naiv, was die möglichen Konsequenzen ihres Tuns betrifft? Na ja, vielleicht genau aus dem Grund, dass es vor 12 000 Jahren keine Konsequenzen gab .
Die Bereitschaft zur Untreue scheint bei Männern irgendwie eingebaut zu sein, wenngleich sie bei manchen größer ist als beim Rest. Es gibt Männer, die nur Kurzzeitbeziehungen haben, weil sie unter einer Art emotionaler Inkompetenz leiden, bei anderen sind durchaus positive Eigenschaften wie Selbstvertrauen und hohes Selbstwertgefühl vorhanden (was bei Frauen in seriellen Kurzzeitbeziehungen so nicht festgestellt werden konnte). Aus psychologischen Studien geht außerdem hervor, dass auch Gene, welche die Hirntätigkeiten bei der Partnersuche und -bewachung steuern, eine Rolle dabei spielen können, ob Männer zum Seitensprung neigen oder nicht. Bei einigen Wühlmausarten hängen Bildung und Erhalt einer monogamen Partnerschaft von der Ausschüttung der Hormone Oxytocin und Arginin-Vasopressin ab. Unterschiedliche Oxytocin-Vasopressin-Systeme können dann erklären, warum die eine Wühlmausart monogam lebt, die andere hingegen nicht. Derartige Mechanismen bestimmen allem Anschein nach auch das Paarverhalten anderer Wirbeltiere. Dennso erstaunlich es klingen mag, scheinen Männer bei spezieller Ausformung eines Gens, das für die Herstellung eines Arginin-Vasopressin-bindenden Proteins zuständig ist, eher nicht zu heiraten. Und wenn sie es doch tun, berichten Partnerinnen tendenziell von Unzufriedenheit in der Ehe und einer Unsicherheit in Bezug auf deren Stabilität. Außerdem scheint an Seitensprüngen noch der Neurotransmitter Dopamin beteiligt zu sein – Männer mit speziellen Varianten eines Gens, das ein Dopamin-bindendes Protein erzeugt, haben laut Statistik mehr One-Night-Stands.
Warum Frauen sich auf Affären einlassen, hat andere und kompliziertere Gründe. Wegen drohender Schwangerschaft und langer Stillzeit musste außer-dyadischer Sex für Jäger-und-Sammler-Frauen ja schon gewisse Anreize bieten. Bei vielen Primaten unterhalten die Weibchen aus diversen Anlässen Beziehungen zu mehreren Sexualpartnern: um etwa die Aufmerksamkeit (und damit die Sorgeleistung) ihres gewohnten Partners zu erhöhen, um von mehreren Männchen versorgt zu werden oder als Anzeichen dafür, dass sie ihren bisherigen Partner zugunsten eines neuen, besseren verlassen werden. Middle-Ager-Frauen stehen vor einer schwierigen Wahl, denn ihre Fruchtbarkeit ist zeitlich extrem begrenzt. Nach Meinung mancher Forscher haben Menschenfrauen mit anderen Primatenweibchen gemeinsam, dass sie Affären haben, um auf den letzten Drücker noch ein paar »Gene
Weitere Kostenlose Bücher