Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
Landwirtschaft, Sesshaftigkeit, Eigentum und Vererbbarkeit menschlichen Gemeinschaften eine lebenslange Monogamie quasi aufgezwungen haben. Zunächst könnte eine institutionalisierte Monogamie aufgekommen sein, weil im Zuge der ackerbaulichen Revolution die Menschen plötzlich auf engem Raum zusammenwohnten. In diesen begrenzten und eher armseligen Verhältnissen war es notwendiger als je zuvor, dass die Männer sich nicht um die Frauen stritten. Weshalb man vermutet, dass eine lebenslange Monogamie entstand, um einen solchen destruktiven Konkurrenzkampf zu unterbinden – was außerdem erklären könnte, warum es auch heute noch Gesellschaftsformen gibt, in denen ein Ehebruch drakonische Strafen nach sich zieht. Einer anderen Theorie zufolge bewirkte das Aufkommen des Ackerbaus, dass Männer auf einmal mehr an ihre Kinder vererben konnten als nur ihre Gene. Jetzt gab es auch Privatbesitz, und nur eine Frau zu haben, hieß gleichzeitig, diesen nicht an unüberschaubar viele Nachkommen verteilen zu müssen. Bei mehreren Nachkommen ist eine Teilung natürlich unvermeidlich, aber wenn jedes Kind weniger erbt, als es zum Überleben braucht, dann ist es für den Mann eher kontraproduktiv, mit unterschiedlichen Frauen eine große, aber dafür hungrige Kinderschar gezeugt zu haben.
Es gibt noch einen dritten Grund, warum die Landwirtschaft zwangsläufig zu einer institutionalisierten Monogamie geführt hat – also zur Ehe –, und im Gegensatz zu den bisherigen Theorien wird hier auch das Bestreben der Frauen berücksichtigt, Überleben und Wohlbefinden der Kinder zu sichern. Das Aufkommen des Ackerbaus hat den Menschen ermöglicht, mehr Kinder großzuziehen als je zuvor, und aus diesem Grund lebenweltweit auch heute die meisten Menschen in Gesellschaften, die auf Ackerbau basieren. Wenngleich die Auswirkungen teilweise verheerend sind, haben wir es hier doch mit einem System zu tun, das funktioniert . Nun ist aber ein Paar, das ein Stück Land bewirtschaftet, bei der Aufzucht der Nachkommen von der Produktivität dieser Fläche abhängig. Und wenn ein Ackerbauer ein paar Kinder gezeugt hat und dann seine Frau verlassen will, steht er vor einem Dilemma. Er kann entweder ihr das Land überlassen (was eher unwahrscheinlich ist), damit sie die Kinder ernähren kann, oder er kann es selbst behalten, sich einer neuen Frau zuwenden und riskieren, dass die Kinder verhungern. Was nicht geht, ist, der Ex die eine Hälfte zu überlassen und die andere Hälfte selbst zu behalten, um Nahrung auch für sich, die neue Frau und die neuen Kinder zu haben. Denn es gibt nicht genug Land, um alle satt zu kriegen (und wenn doch, ist es binnen kurzem auf so viele Nachkommen aufgeteilt, dass die Kinder oder die Enkel vor demselben Problem stehen). Was dazu führt, dass erstens Middle-Ager-Männer nicht weggehen können, zweitens Middle-Ager-Frauen eine gewisse Sicherheit haben und drittens die Gesellschaft die lebenslange Monogamie verhängt und damit ein Arrangement sanktioniert, das im Grunde schon zu diesem Zeitpunkt unvermeidlich ist.
Der prähistorische Mensch lebte also vermutlich in einem System, in dem er zwischen zwei Arten der Monogamie wählen konnte, der seriellen und der lebenslangen – mit der einen oder anderen Affäre nebenher (meist in der Jugend). Dieses nicht gänzlich rigide Fortpflanzungssystem könnte erklären, warum die genetischen und biologischen Daten tatsächlich nahelegen, dass wir eine beinahe monogame und beinahe unpromiskuitive Spezies sind – und warum die meisten Menschen freiwillig die eine Hälfte eines Paares sein wollen. Erst später veränderte sich dieses »natürliche« Fortpflanzungssystem aufgrund der ackerbaulichenNotwendigkeit zu einer lebenslangen Monogamie, egal, ob wir das gut fanden oder nicht.
Und es ist genau dieser Konflikt zwischen unserer prä-ackerbaulichen und unserer post-ackerbaulichen Natur, der heute die ganzen Probleme aufwirft. Menschen können erwiesenermaßen die lebenslange Monogamie aufgeben und zur seriellen wechseln, und diese Möglichkeit hängt bedrohlich über den Beziehungen von Middle-Agern.
Wie oft kommt es im Middle-Age also zu ehelicher Untreue? Und wenn es sie gibt, ist sie immer Vorbote einer Trennung?
Wie man sich denken kann, konzentrieren sich die Statistiken wie üblich auf die Ehen und nicht auf anderweitige Langzeitbeziehungen. Manche Wissenschaftler sagen, eheliche Untreue käme so selten vor, dass man sie im Grunde vernachlässigen könne.
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