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Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Titel: Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bainbridge
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einem Gehirn ausgestattet haben, das nicht einmal einen simplen Alterungsprozess bewältigen kann? Ein wandlungsunfähiges Middle-Ager-Gehirn ergibt einfach keinen Sinn.
    Wir wollen uns dieses Gehirn jetzt einmal genauer ansehen, indem wir ein paar gängige Ansichten darüber auf den Prüfstand stellen. In diesem Kapitel möchte ich mich der Frage widmen, ob sich Seelenleben und Persönlichkeit im fünften und sechsten Lebensjahrzehnt verändern. Ich möchte auch herausfinden, ob wir die zwei bekanntesten Middle-Age-Phänomene eher durch das Konzept des Wandels oder durch das des Stillstands erklären können – die Frustration über zunehmenden Kontrollverlust sowie einen immer stärker ausgeprägten Konservatismus (im Privaten wie im Politischen).
    Wenngleich Sigmund Freuds Lehre sich zunächst durchsetzte, wurde die Vorstellung von der statischen Middle-Ager-Seele doch auch in Frage gestellt. Ein großer Name kann einer Idee ganz schön Nachdruck verleihen, deshalb darf hier nicht unerwähnt bleiben, dass C. G. Jungs Theorie der Persönlichkeitsentwicklung sich vom Freud’schen Ansatz extrem unterschied. Jung bezweifelte nämlich das Erreichen eines »Reifezustands« der Persönlichkeit vor dem vierzigsten oder gar fünfzigsten Lebensjahr. Befürworter dieser Theorie führen an, dass ein mittel-alterlicher Wandel schon aus rein rechnerischen Gründen naheliegt. Middle-Ager haben zirka dreimal so lange Zeit gehabt wie die Teenager, um ihre Persönlichkeitsentwicklung einen anderen Kurs einschlagen zu lassen als den der Mitmenschen  – sie konnten sich über einen längeren Zeitraum von Einfluss oder gar Weisungsbefugnis anderer wegbewegen und sich eigene Neigungen, Besonderheiten und auch Marotten zulegen. Außerdem unterscheidet sich das Leben ab achtzehn völlig von dem eines Schülers, der bei den Eltern wohnt – als Erwachsener geht man also logischerweise seinen ganz eigenen Weg.
    Demnach hätte der Umstand, dass Middle-Ager mehr Zeit hatten – und dabei ganz unterschiedliche Phasen durchgemachthaben  –, sie zu individuelleren Menschen gemacht. Psychologen sagen heute, dass Derartiges für den menschlichen Geist im Middle-Age tatsächlich zutreffen könnte. Haben junge Erwachsene im Hinblick auf die Zukunft vielleicht noch dieselben Gedanken, Pläne und Hoffnungen, ist aus der Zukunft für den Middle-Ager greifbare Gegenwart geworden. Und diejenigen, denen es gut ergangen ist, stellen sich mit einem Lächeln im Gesicht den neuen Anforderungen des Middle-Age, während sie gern an das bisher Erlebte zurückdenken und genauso gern davon erzählen. Gingen Pläne und Wünsche aber nicht in Erfüllung, wird das Middle-Age eher als Phase des Scheiterns, der Ärgernisse und der Frustration wahrgenommen. Und das ist keineswegs bloße Spekulation – hier handelt es sich um die Ergebnisse sorgfältig durchgeführter Psychotests. Erneut präsentiert sich das Middle-Age als Wendepunkt unseres Lebens, nämlich als die Zeit, in der Jugendträume und Erwachsenenrealität aufeinanderknallen – wobei die Erkenntnis, die sich hier einstellt, noch nicht von greisenhaftem Stoizismus abgemildert wird.
    Jüngere Untersuchungen haben bestätigt, dass das Middle-Age keineswegs eine Phase des psychologischen Stillstands ist – es ist aber auch kein Zeitraum, in dem all unsere psychologischen Karten bedenkenlos in die Luft geworfen werden, auf dass sie sich zu einem neuen Muster zusammenfügen mögen. Eher verändert sich unsere Persönlichkeit langsam und auch nur teilweise. So bleiben optimistische, gesunde Menschen optimistisch und gesund, wohingegen die negativ eingestellten und eher kränkelnden genau so weitermachen. Es ist verblüffend, wie präzise man anhand von Einschätzungen, die sich Lehrer von der Persönlichkeit ihrer Schüler gemacht haben, deren Befinden als Middle-Ager vorhersagen kann, was seelische und körperliche Gesundheit, Körpergewicht sowie den Umgang mit Nikotin und Alkohol betrifft. Diese tendenzielle Beständigkeit wird aber von ein paar durchgängigauftretenden Veränderungen der mittel-alterlichen Weltsicht überlagert. Middle-Ager machen sich zunehmend Sorgen, dass sie in der Zukunft die Kontrolle über ihr Leben verlieren, und das, wo sie sich gerade jetzt an einem Punkt ihres Lebens befinden, an dem es einem in sozialer und ökonomischer Hinsicht normalerweise am besten geht. Im Verlauf des Middle-Age reagieren Menschen auf neue Situationen auch immer abwehrender, ja,

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