Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
unveränderlich ist. Ganz im Gegenteil: Wenngleich mit unserer Identität alles steht und fällt, scheint sie etwas zu sein, das sich im Fluss befindet – sich also ständig neu formt, um den Veränderungen in Umwelt und eigener Haltung zu entsprechen. Und hierbei unterscheiden sich die Menschen. Erneut kann man sie in zwei Lager aufteilen: Menschen mit einer widerstandsfähigen Identität und dem Bestreben, der Welt so gut wie möglich den eigenen Stempel aufzudrücken, und Menschen mit einer eher labilen oder dehnbaren Identität, die ständig bemüht ist, sich verändertenBedingungen anzupassen. Die verbreitete Ansicht, eine widerstandsfähige Identität sei gleichbedeutend mit einem erfolgreichen Alterungsprozess, wirft Probleme auf. Menschen mit einer solchen Identität mögen selbstsicher und optimistisch sein, doch möglicherweise übersehen sie dabei die tatsächlich stattfindenden Veränderungen in ihrem Leben und haben so größere Schwierigkeiten bei der irgendwann notwendigen Anpassung. Doch wer eine eher labile Identität besitzt, zählt auch nicht automatisch zu den Gewinnern – der Alterungsprozess kann Panik auslösen und zu einer frühzeitigen Akzeptanz der Alterserscheinungen oder gar zu Senilität führen.
Psychologische Untersuchungen zeigen uns jedoch, dass jede Identität sich im Lauf des Middle-Age vom widerstandsfähigeren Ende des Spektrums hin zum labileren verändert. Bei Frauen tritt dies deutlicher zutage, denn ihre Identität ist meist von Anfang an labiler als die von Männern. Das mag jetzt zunächst besorgniserregend klingen, aber zum Wandel der Ich-Wahrnehmung im Middle-Age ist auch noch längst nicht alles gesagt. Und ist es im Grunde nicht so, dass der jugendliche Antrieb, sich ständig beweisen zu müssen, wie toll man ist, einem Middle-Ager überflüssig oder gar lächerlich vorkommt? Mittlerweile hat man ja erreicht, was man wollte – oder auch nicht. Untersuchungen belegen, dass Menschen im Middle-Age kleinere Brötchen backen, sich weniger vornehmen und eine Erfolgsbemessung toleranter handhaben, was zwangsläufig zur Folge hat, dass die Ausbeute beim Erreichen von Zielen insgesamt größer ist. Ganz offenbar sind wir im Middle-Age auf einmal bereit, sowohl im Umgang mit uns selbst als auch mit der Welt um uns herum fünfe gerade sein zu lassen.
Das zweite Hauptthema der mittel-alterlichen Psycho-Symphonie ist der Konservatismus – im zwischenmenschlichen Bereich wie auch im Politischen. Jeder kennt Witze über Middle-Ager, die aufeinmal herumnörgeln und reaktionäre Sprüche klopfen, aber entspricht das denn der Wahrheit? Und wenn ja, könnte dafür die Evolution verantwortlich sein?
Bei Middle-Agern nimmt das Sozialverhalten ganz bestimmte Formen an. Untersuchungen zufolge pflegen sie weniger sozialen Umgang als jüngere Leute, was auf den ersten Blick dem Klischee vom mittel-alterlichen Misanthropen entspricht. Bei genauerer Befragung hat sich aber herausgestellt, dass Middle-Ager ihre sozialen Kontakte nur anders definieren – und dazu vor allem der Umgang mit Partner oder Partnerin sowie der Familie zählt. Das heißt, die Zahl der Sozialkontakte ist nicht sonderlich groß, dafür sind diese Kontakte sehr intensiv . Viele Middle-Ager nehmen etwa wieder Beziehung zu Brüdern und Schwestern auf, was bisher vielleicht durch unaufgelöste Geschwisterrivalitäten oder die Tyrannei von Karriere und Kindererziehung zurückgestellt wurde.
Vielleicht werden Menschen im Middle-Age ja nicht etwa weniger sozial, sondern planen ihren sozialen Umgang besser – und richten ihre soziale Energie auf eine kleine Schar Auserwählter. Es wurde zudem behauptet, dieser Wandel passe gut zu einer der Theorien des menschlichen Lebensplans: Bei jungen Leuten, die wissen, dass sie sich noch lange auf der Erde tummeln werden, dienen zwischenmenschliche Aktionen dem Erwerb von Informationen – unserer wichtigsten Währung. Mit Erreichen des mittleren Alters wird dann auf einmal klar, dass die Zeit begrenzt ist, deshalb richtet man sein Augenmerk nicht mehr auf den Informationserwerb, sondern auf Erzeugung und Erhalt gefühlsmäßiger Bindungen. Das würde natürlich ganz gut zu der Vorstellung passen, nach der das Leben des Menschen durch die Weitergabe von Informationen an die Jungen gekennzeichnet ist. Wie psychologische Studien belegen, sind einerseits junge Menschen völlig scharf auf Wissen aus allen möglichen Quellen und andererseits Middle-Ager sehr darauf bedacht, mit
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