Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
konservativer – es scheint wichtiger zu sein, potenziell Schlechtes zu verhindern, als pozentiell Gutes zu ermöglichen. Bei diversen Untersuchungen kam außerdem heraus, dass Middle-Ager zu sich selbst »finden«, sowohl gewissenhafter als auch umgänglicher werden, gern viele verschiedene Aktivitäten ausüben und viel hilfsbereiter gegenüber jungen Leuten sind.
Ein paar dieser Veränderungen kommen vermutlich deshalb zustande, weil auch die Welt, in der Middle-Ager leben, einem Wandel unterworfen ist – die Kinder werden erwachsen, im Beruf geht es auf und ab, der Körper zeigt, dass er auch noch da ist. Der Persönlichkeitswandel ist aber insgesamt so klar umrissen und durchgängig spürbar (man könnte fast sagen, klischeehaft), dass es so aussieht, als sei die menschliche Entwicklung darauf programmiert. Und ja – meiner Überzeugung nach befinden sich in unserem genetischen Bauplan Elemente, die beim Älterwerden allerlei verändern, bis hin zu der Art und Weise, wie wir uns selbst betrachten. Eine Person, die kinderlos ist, den sichersten, bestbezahlten Job ausübt und einen makellosen Körper besitzt, verändert nämlich im Middle-Age genauso ihr Denken. Man will vielleicht nicht recht glauben, dass etwas so Selbstbestimmtes und Komplexes wie die Persönlichkeit eines Menschen – das Ich, die Existenz, das eigene Wesen – der Kontrolle dieser kleinen, länglichen Gene in unseren Zellen unterliegt, aber die Einheitlichkeit der psychologischen Veränderungen im Middle-Age sieht für mich ganz danach aus, als sei der Antrieb dazu bei jedem Einzelnenvon uns eingebaut. So wie ich das sehe, hängt die Art und Weise, wie wir zu unterschiedlichen Zeitpunkten denken, einzig und allein von den Genen ab, die wir geerbt haben – und die unser persönliches Exemplar der »Lebensuhr« darstellen.
Wenngleich manche Psychologen einen derart extremen »genetischen Determinismus« für übertrieben halten, ist man sich mittlerweile doch weitgehend einig, dass die menschliche Seele bis weit ins Middle-Age hinein Entwicklungen unterworfen ist. Und wenn wir ehrlich sind, kommt es uns heute schon komisch vor, dass man früher einmal die Seele des Kindes und die des Erwachsenen für zwei völlig verschiedene Dinge gehalten hat – das eine soll sich verändern, das andere nicht? Wenn wir heute versuchen, psychologische Entwicklungen einer bestimmten Lebensphase zu messen, tun wir das nicht mehr im Glauben an eine einzige, linear fortlaufende Linie, an der sich die menschliche Persönlichkeit durch festgelegte, aufeinanderfolgende Abschnitte hangelt. Man ist mittlerweile der Ansicht, dass die kindliche Persönlichkeit die – wie es aussieht – bekannten und immergleichen Entwicklungen nur deshalb durchläuft, weil wir sie in einem bestimmten Alter den diversen Erziehungs- und Ausbildungsformen unterwerfen. Und da traditionelle, klar strukturierte Institutionen sowie von außen auferlegte Übergangsriten wegfallen, stellt sich die psychologische Entwicklung im Middle-Age als Symphonie aus diversen, aber gleichzeitig ablaufenden Veränderungen dar – die einen langsam, die andern schnell, manche beständig, manche mit Unterbrechungen. Und wenngleich sich die einzelnen Veränderungen bei den Menschen im Detail unterscheiden können, klingt die resultierende Symphonie bei jedem Einzelnen doch ziemlich ähnlich. Es sieht also ganz so aus, als seien ihre zentralen Themen Produkte unseres gemeinsamen, genetisch gesteuerten Erbes.
In der mittel-alterlichen Symphonie des psychologischen Wandels ist eines der auffälligsten Themen die »Kontrolle«. Kontrolle kann sich auf vielerlei beziehen, aber Middle-Ager machen sich ganz grundsätzlich die allergrößten Sorgen, und das, obwohl sie in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht meist ganz schön viel Kontrolle haben. In unserer modernen Welt sind es doch die Middle-Ager, die die Zügel in der Hand halten, oder nicht? Politiker, Abteilungsleiter, Manager und Hochschulprofessoren sind heute in ihren Fünfzigern, wenn nicht sogar Vierzigern – man muss in der britischen Geschichte nicht allzu weit zurückgehen, um auf Führungspersönlichkeiten zu stoßen, die zumindest um einiges älter aussahen als die jetzigen.
Nun sind wir aber keineswegs alle Konzernchefs oder Kabinettsmitglieder. Eine andere Form der Kontrolle, auf die jeder von uns zugreifen kann, ist die über unsere eigene Lebenswelt. Verhaltensforscher sagen, das Wohlbefinden eines
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