Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
nicht direkt auf die Gemütsverfassung beziehen – also nach Familienstand, Kindern, Beschäftigungssituation etc. –, denn die Antworten geben Hinweise auf Faktoren, die ein Ergebnis womöglich verfälschen könnten. Nehmen wir mal an, bei einer Befragung gibt es Leute mittleren Alters, die angeben, sie seien unglücklich. Und nehmen wir weiterhin an, dass auch Menschen mit Kindern im Teenager-Alter angeben, sie seien unglücklich. Damit stehen wir vor einem Dilemma, denn die meisten Menschen mit Teenagerkindern sind gleichzeitig immittleren Alter. Wir wissen also nicht, ob Menschen mittleren Alters unglücklich sind, weil sie im mittleren Alter sind, oder ob sie unglücklich sind, weil sie Teenagerkinder haben, die ihnen den letzten Nerv rauben. Hier kommt uns zum Glück die angewandte Statistik zu Hilfe. Beim sorgfältigen Vergleich verschiedener Menschengruppen (etwa Middle-Agern ohne oder Nicht-Middle-Agern mit Teenagerkindern) ermöglicht uns die statistische Auswertung, die relative Wichtigkeit der glücksbildenden Faktoren zu ermitteln. Aber selbst nach dieser halsbrecherischen Statistikauswerterei kam die Studie aus dem Jahr 2008 immer noch zu dem eindeutigen Ergebnis, dass Menschen mittleren Alters im Allgemeinen unglücklicher sind als der Rest der Welt.
Die Gründe dafür, dass junge Leute glücklicher sein sollen als Middle-Ager, kann man sich leicht denken – Schönheit, Jugend, Verantwortungslosigkeit, Distanz / Ignorieren des Todes –, aber die Autoren der Studie hatten auch ein paar verblüffende Begründungen für den Umstand, dass laut ihrem »U« auch die Alten glücklicher waren als die Middle-Ager. Eine davon war, dass Menschen beim Älterwerden ihren Ehrgeiz verlieren und die Ziele realistischer wählen, weshalb sie weniger scheitern und deshalb glücklicher sind. Eine zweite Überlegung war, dass Unglücklichsein im Middle-Age schon mal zum Tod führt, was später eine »angereicherte« Altengesellschaft bewirkt und den Anteil der Glücklichen unverhältnismäßig in die Höhe schnellen lässt. Drittens hieß es, Menschen würden jenseits des Middle-Age immer dankbarer, dass sie im Gegensatz zu vielen Gleichaltrigen immer noch leben – was allein schon Grund zu allergrößter Freude sei. Und für den Fall, dass ich ein Anhänger der U-Theorie wäre, würde ich noch eine weitere Vermutung anfügen – nämlich die, dass das menschliche Entwicklungsprogramm bis ins hohe Alter aktiv und darauf angelegt ist, alte Menschen glücklich zu machen. Wobei die Herausbildung einer solchen Tendenz evolutionär natürlichnur Sinn machen würde, wenn gesteigertes Wohlbefinden der Alten sich positiv auf die Aufzucht ihrer Nachkommen auswirken würde.
Soviel Spaß es auch macht, mit der U-förmigen Glückskurve herumzuspielen, muss man sich doch eines klarmachen: Trotz des Umfangs und der Sorgfältigkeit der Studie, und trotz der Tatsache, dass andere Studien ihre Ergebnisse bestätigen, gibt es eine noch viel größere Anzahl von Studien, die das nicht tun. Eine amerikanische Untersuchung behauptet etwa, dass das Ausmaß des Glücks im Lauf des Lebens zunimmt, was aus gestressten, ängstlichen jungen Leuten erst nach und nach glückliche, erfüllte Senioren werden lässt.
Psychologen haben es als Unding kritisiert, Menschen einfach zu fragen, wie sie zu einem x-beliebigen Zeitpunkt drauf sind. Sie beschrieben das Glück nicht nur als undefinierbares, vorübergehendes und subjektives Gefühl, sondern zudem als Summe sämtlicher positiver wie negativer Emotionen von Menschen (oder positiver wie negativer »Affekte«, wie man in der Psychologie irritierenderweise gerne sagt). Man kann sich darüber streiten, ob Glück wirklich das Gleiche ist wie die Summe aller positiven Emotionen minus die Summe aller negativen Emotionen, aber dieser Ansatz ist zumindest typisch »wissenschaftlich«. Er nimmt ein großes, mysteriöses Phänomen (Glück) und teilt es in kleine, handliche Portionen. Im Fall der Emotionen sind diese handlichen Portionen die Werte, die befragte Teilnehmer über eine Auflistung von Adjektiven verteilen – wenn also »angeekelt« und »feindselig« niedrige Werte kriegen, »freudig« und »aufgeregt« hingegen hohe, dann kann auch ein Grundschüler ausrechnen, dass ihre positiven Emotionen die negativen überwiegen und die Menschen demzufolge in der Summe »glücklich« sind.
Ermittelt man auf diese Art die durchschnittlichen Emotioneneiner großen Teilnehmerzahl, kommen
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