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Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Titel: Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bainbridge
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Familie und Freunden Fördergemeinschaftenzu bilden. Dies ist ein durchgängiger Wandel, also eine Entwicklung im mittel-alterlichen Verhalten, die erneut belegt, dass das Middle-Age ein Produkt unseres genetischen Erbes ist, unserer »Lebensuhr«.
    Und jetzt sieht es so aus, als beruhe der eingebaute, vorprogrammierte Wandel im mittel-alterlichen Sozialverhalten auf ziemlich simplen neuralen Mechanismen. Es gibt eine ganze Reihe von Untersuchungen, die belegen, dass sich im Middle-Age der gefühlsmäßige Umgang mit anderen Menschen verändert, ob man es will oder nicht. Quer durch alle Altersgruppen haben Testpersonen etwa Schwierigkeiten, bei älteren Menschen anhand des Gesichtsausdrucks deren emotionalen Zustand zu erkennen. Und je älter wir werden, desto schwerer fällt es uns, Gefühlszustände im Gesicht anderer abzulesen – was wir für einen neutralen Ausdruck halten, kann ohne Weiteres Zorn bedeuten. Einem der Berichte zufolge erzeugen Männer in diversen Regionen des Gehirns zunehmend Bilder emotionsgeladener Gesichtsausdrücke, je weiter das Middle-Age voranschreitet. Und je älter wir werden, desto weniger stressen oder ärgern uns zwischenmenschliche Konflikte, zudem zerbrechen wir uns über eventuelle Gesprächsgegner immer weniger den Kopf.
    In gewisser Weise stumpfen unsere Emotionen also im Middle-Age ab  – und die so heftigen wie gleichzeitig unberechenbaren Gefühlsreaktionen der Jungen kommen uns immer seltsamer vor. Nur, wie passt diese Abstumpfung zu der Vorstellung, dass wir im Middle-Age verstärkt die emotionale Anbindung an andere suchen? Könnte es vielleicht sein, dass wir es aufgrund des verbal gesteuerten Kontakts zu unseren paar Auserwählten gar nicht mehr nötig haben, mit irgendwelchen Fremden und Zufallsbekanntschaften visuell zu interagieren? Mit anderen Worten: Brauchen Menschen im Middle-Age überhaupt noch ein fein abgestimmtes Radarsystem?
    Ein andere Art des Konservatismus – nämlich der politische – nimmt bei Middle-Agern in allen möglichen Ländern zu, wie Untersuchungen ergeben haben. Die Ergebnisse sind dabei so eindeutig, dass man einen direkten Zusammenhang zwischen Middle-Age und einem Konservatismus erkennt, und zwar unabhängig von bisherigen Überzeugungen. In den letzten Jahren hat man sich auch recht eingehend mit den biologischen Grundlagen von politischen Ausrichtungen beschäftigt. Man hat etwa zu  zeigen versucht, dass bestimmte, bei Psychotests herausgearbeitete Charaktermerkmale mit bestimmten politischen Vorlieben korrespondieren. Neurowissenschaftler haben sogar probiert, die neuralen Komponenten von politischen Überzeugungen herauszufinden. Bei einer der Studien teilte man sie in drei grob gefasste Richtungen – Individualismus, Konservatismus und Radikalismus  – und konnte auf die Art verschiedene Regionen des Frontallappens identifizieren, die aktiv werden, je nachdem, welcher politisch gefärbte Reiz gesendet wird.
    Politik ist allerdings etwas, das unter evolutionären Gesichtspunkten nicht recht untersucht werden kann  – was mit daran liegt, dass wir die einzige Spezies sind, die Politik »macht«, und deshalb auch keine Vergleichsmöglichkeit besteht. Allerdings kann man zumindest die verschiedenen politischen Strömungen mit evolutionären Fragestellungen in Beziehung setzen. Betrachten wir etwa mal den Umstand, dass im Middle-Age die Menschen dazu neigen, sich aus der Gesellschaft zurückzuziehen, das, was sie haben, unter Verschluss zu halten und sich vermehrt um das eigene Wohlbefinden sowie das der ihnen am nächsten Stehenden zu kümmern. Was hier im Hinblick auf das Prinzip der natürlichen Auslese sehr stimmig wirkt, ist im Grunde nichts anderes als eine, sagen wir mal, rechtsliberale Haltung.
    Noch eine andere Komponente politischer Überzeugungen kann in evolutionären Zusammenhängen betrachtet werden, unddas ist die Existenz von Besitz beziehungsweise dessen Verteilung. Wenn wir jung sind, haben wir nichts, weshalb wir uns Strömungen anschließen, die dafür eintreten, dass diejenigen, die etwas haben (die Alten), es an uns abgeben  – was im Grunde ein sozialliberaler Ansatz ist. Nun würde aber ein Middle-Ager, der viel zu verlieren hat und über wenig Zeit verfügt, einmal Verlorenes wiederzugewinnen, einer Besitzverteilung wohl eher nicht zustimmen. Eher würde er den Standpunkt vertreten, dass Menschen mit ihrem mühsam erwirtschafteten Eigentum ja wohl machen können, was sie wollen – was nichts

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