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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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in einem Land wie Bangladesch, in dem die Menschen jeden Tag Hunger, Krankheit und der Gefahr von Naturkatastrophen ausgesetzt sind, die Löhne nicht existenzsichernd sind und die Lebensmittelpreise sich über Nacht verdoppeln können.
    Jobra und »Hillary Village«: die Märchendörfer
    Tom Heinemann, ein dänischer Dokumentarfilmer, hat für seinen kritischen Film The Micro Deb t 464 zwei Dörfer besucht, die in der Grameen-Legende eine besondere Rolle spielen: Jobra, der Ort, an dem Muhammad Yunus den ersten Kredit aus eigener Tasche vergab, und Maishahati, das seit einem ge meinsamen Besuch von Hillary Clinton und Muhammad Yunus offiziell Hillary Village heißt. Der Film sorgte 2010 weltweit für Aufsehen, weil er schlüssig darlegte, dass die Grameen Bank Entwicklungshilfegeld der norwegischen Regierung auf sehr usmtrittene Weise einsetzt. In Jobra machte sich Heinemann auf die Suche nach der legendären Sufiya Begum, der Yunus 1976 begegnet sein will. Der dänische Dokumentarfilmer traf ihre Tochter, und sie erzählte, dass ihre Mutter 1998 in tiefer Armut gestorben sei. Ein Dorfbewohner berichtet im Film außerdem, dass das Haus, das sich die Frau angeblich leisten konnte, tatsächlich gar nicht Sufiyas’ gewesen sei. Er zeigt auf ein rosa getünchtes, doppelstöckiges Haus mit Säulen davor, im Vergleich zu den Wellblechhütten schon fast ein Palast, und sagt in die Kamera: »Die Grameen Bank hat immer dieses Haus gezeigt. Aber das gehört einem Nachbarn.« Mit so einem Schwindel, sagt der Mann im Film, habe die Bank Millionen verdient.
    Hillary Clinton besuchte 1995 Maishahati und ließ sich die schönen Geschichten vom wirtschaftlichen Erfolg erzählen. Unter anderem dass viele neue Häuser gebaut worden seien – das gehört zur Selbstverpflichtung der Kreditnehmerinnen der Grameen Bank. 465 Heinemann – und nicht nur er 466 – fand bei seinem Besuch allerdings vor allem Familien, die durch die Kredite noch tiefer in die Armut gerutscht waren. Ein Mann aus dem Dorf behauptet im Film sogar, dass der medienwirksame Besuch von Hillary Clinton reine Inszenierung gewesen sei: Man habe Frauen aus anderen Dörfern herbeigekarrt – Jubel-Bangladeschi sozusagen.
    Anu Muhammad erklärt die Entstehung der Grameen-Mythen so: »Sie führen den Leuten die Dorfbewohner in dem Moment vor, in dem sie von dem geliehenen Geld ihr Haus bezahlt haben. Klar sieht das dann nach Erfolg aus. Aber kämen sie nur ein oder zwei Jahre später wieder, würden sie die wirklichen Folgen sehen: Dann sind die Häuser nämlich verkauft.« 467
    NGO s als Handlanger des Kapitals
    Wir fahren zum nächsten Schuldendorf. Unser Weg nach Gho gadaho führt vorbei an sattgrünen Reisfeldern, auf denen Wasserbüffel Pflüge ziehen. In jedem Dorf fallen mir mehrere Hütten auf, an denen die Namen von Mikrofinanzorganisatio nen stehen. Längst ist es nicht nur Muhammad Yunus’ Grameen Bank, die Kleinkredite vergibt. Die beiden anderen großen Institute sind das Bangladesch Rural Advancement Comittee, kurz BRAC , und die Association for Social Advancement, ASA . Darüber hinaus gibt es zahlreiche NGO s, die Geld verleihen. Die Zahl der NGO s in Bangladesch hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren versechsfacht. Gab es 1990 noch 382 NGO s, zählte man 2007 bereits 2 156, 469 heute sind es über 3 000. Seit den siebziger Jahren sind Nichtregierungsorganisationen in Bangladesch tätig. Wie die Krishok Federation und Nijera Kori beschäftigten auch sie sich lange Zeit mit Mo bilisierung, Bewusstseinsbildung, Gesundheitsprogrammen, mit dem Kampf gegen Ungleichheit, Ausbeutung, Großgrundbesitzer und Machtstrukturen auf den Dörfern, sie kämpften für Frauenermächtigung und für die Rechte von Landlosen. Doch in den neunziger Jahren wandelte sich das solidarischen Kerngeschäft: Die NGO s stiegen ins Mikrokreditgeschäft ein. Zunächst, weil sie auf diese Weise unabhängig von Spenden wirtschaftlich nachhaltig arbeiten konnten. Ihr Fokus liegt auf der eigenen finanziellen Unabhängigkeit, nicht auf der ihrer Zielgruppe. Und nicht wenige solcher MFI - NGO s haben sich zum Selbstzwecke gegründet – einige sind damit reich geworden.
    Die Wandlung der NGO s zu Geldverleihern ist eine Folge der so genannten »Strukturanpassung« für Entwicklungsländer. Es ist das, was man gemeinhin unter Globalisierung versteht. »Wirtschaftswachstum« lautete bereits in den siebziger Jahre die Devise der Entwicklungshilfe. Die Geberländer förderten in

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