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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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einmal in die Runde fragt, wie die Frauen das finden, dass Yunus von seinem Posten als Bankdirektor entfernt wurde, jubeln und klatschen sie.
    Shahida Begum sagt, sie habe vor 15 Jahren einen Kredit bei der Grameen Bank aufgenommen. Als sie alles bis auf 500 Taka – fünf Euro – zurückbezahlt habe, habe der Grameen-Mitarbeiter gesagt: »Lass nur, das verrechnen wir mit dem Gesparten.« Mit einem Kredit nämlich verpflichten sich die Frauen nicht nur, jede Woche eine Rate plus Zinsen zu zahlen, sondern auch einen kleinen Betrag zu sparen. Offiziell heißt es, die Frauen hätten zu dieser Spareinlage jederzeit Zugang. Doch meist gelten diese den Mikrofinanzinstituten als Sicher heit. Ab einem Betrag von 8 000 Taka müssen die Frauen außer dem in den Grameen-Pensionsfonds zahlen. Der wird über zehn Jahr angelegt und verzinst. Rechnet man also alle Kosten zusammen, müssen die Schuldner viel mehr für den Kredit bezahlen als nur die Zinsen. Anu Muhammad schätzt die effektiven Kosten auf 30,5 Prozent bei der Grameen Bank und knapp 45 Prozent bei ASA und BRAC .
    Nach 15 Jahren sei aber ein anderer Mitarbeiter der Grameen Bank gekommen, er habe 6 000 Taka von Shahida verlangt. Sie konnte nicht beweisen, dass sie schuldenfrei war, hatte keine Belege. Der Mann habe sie beschimpft und als Lügnerin bezeichnet. »Fast jeden Tag kamen die Männer in mein Haus, sie blieben bis in die Nacht. Sie drohten, mein Haus abzureißen.«
    »Die Kunden müssen nicht zur Bank kommen, die Bank kommt zum Kunden.« Ein klassischer Yunus-Satz, der nur den begeistern kann, der keine Ahnung hat, welch brutale Wahrheit sich hinter diesen Worten verbergen kann. Shahida sagt, sie hätte schließlich eingewilligt, die 6 000 Taka als neuen Kredit zu nehmen; drei Jahre habe sie jetzt Zeit, ihn zurückzuzahlen. »Ich fühle mich betrogen«, sagt Shahida.
    »Wir sind noch ärmer als zuvor«, klagt eine andere Frau, Roshida. Sie hat bei der MFI - NGO TMSS einen Kredit über 8 000 Taka aufgenommen, wollte auf dem Markt Reis verkaufen. Doch weil dort dutzende Bauern und Händler mit ihren Reissäcken sitzen und sich gegenseitig unterbieten, konnte Roshida den Reis nur unter Preis verkaufen. Es ist einer der grundsätzlichen Denkfehler des Modells, Arme zu Unternehmern zu machen: Die Möglichkeiten unternehmerischer Aktivitäten, zumal auf dem Land, sind mehr als begrenzt. Hier kann man keinen »Senfsalon« eröffnen. Allenfalls einen Kiosk, eine Teestube, einen kleinen Handwerksbetrieb oder einen winzigen Marktstand. Doch der Bedarf ist nicht sehr groß: Wie viele Teestuben braucht wohl ein Dorf? Und woher sollen all die Kunden kommen, wenn die Menschen arm sind?
    Unternehmertum heißt auch, sämtliche Risiken allein tragen zu müssen. Selbst in reichen Ländern scheitern daran viele. In Tom Heinemanns Film sagt der Entwicklungsexperte Thomas Dichter: »Die wenigsten von uns können und wollen Unternehmer sein. Warum glauben wir, dass das ausgerechnet die Ärmsten können sollen?«
    Weil sie nicht jede Woche Arbeit finde, sagt Roshida, hungere sie, um die Raten zahlen zu können. »Aber auch das reicht nicht aus, alles ist schlimmer als vorher«, Roshida schreit, dass sich ihre Stimme überschlägt. »Wir haben keine Zeit mehr für unsere Kinder, wir schlagen sie sogar, das haben wir früher nie getan.« Zur Schule gingen die Kinder längst nicht mehr, sie müssten jetzt auf den Feldern arbeiten, »erst muss der Magen gefüllt werden, dann der Kopf.«
    Anu Muhammad hat in seinen Studien bestätigt: »Die Kin derarbeit nimmt zu. Mikrokredite erhöhen den Druck, in einer begrenzten Zeit eine bestimmte Summe Geld zu verdienen. Dieses Zeitlimit wird zum bestimmenden Faktor, um überhaupt am Markt teilnehmen zu können. (…) Dann müssen auch die Kinder ran.« 477 Die Kinder, sagt Roshida, bekommen aber nur die Hälfte des Lohns. Manche Familien steckten wegen der Kredite so aussichtslos tief im Elend, dass sie ihre Kinder in die Restaurants der nächstgelegenen Stadt schickten. Dort arbeiten sie in der Küche; dafür bekommen sie kein Geld, aber Essen, und können auf den harten Tischen schlafen. Es sind wohl solche Kinder, die uns noch am gleichen Abend in unserem schäbigen Hotel in Kurigram, der gleichnamigen Hauptstadt des Distrikts, begegnen werden. Sie tragen Wasserkrüge und Bettwäsche durch die Flure und schleppen Gepäck, das fast größer ist als sie selbst. Sie sind klein, vielleicht sechs, höchstens acht Jahre alt, ihr Blick ist ernst. Sie

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