Wir müssen leider draußen bleiben
Entwicklungsländern etwa Großprojekte wie Staudämme oder Kraftwerke, an denen vor allem die Konzerne aus dem Westen verdienten. Das investierte Geld floss auf diesem Weg zurück in die Länder, aus denen es gekom men war, während die Länder der Dritten Welt auf den Rechnungen sitzenblieben. Als sie die Schulden nicht zurückzahlen konnten, kam es in den achtziger Jahren zur Schuldenkrise. Doch anstatt Schulden zu erlassen, um überhaupt die Voraussetzung für Armutsbekämpfung und den Aufbau einer Infrastruktur zu schaffen, die für alle, auch die Ärmsten, zugänglich gewesen wäre, legten Weltbank und In ternationaler Währungsfonds sogenannte Strukturanpassungs programme auf. Diese knüpften die Vergabe weiterer Kredite an die Privatisierung öffentlicher Strukturen wie etwa der Energie- und Wasserversorgung und des Bildungs- sowie Gesundheitswesens. Auch wurden die Entwicklungsländer gezwungen, Importbeschränkungen aufzuheben und die Märkte zu deregulieren. 469 Auf Druck der westlichen Welt hob man außerdem fast alle Zinsobergrenzen der armen Länder auf. Die als » Armutsbekämpfungs- und Wachstumsprogramme« verbrämten Maßnahmen haben die sogenannte Dritte Welt in der Folge in eine noch größere Abhängigkeit vom Westen und die Armen in eine noch aussichtslosere Lage versetzt: Sie müssen nun für jede Dienstleistung bezahlen. Sie leiden darunter, dass der Staat ihnen keine überlebensnotwendige Infrastruktur wie etwa medizinische Betreuung und Wasserversorgung kostenlos zur Verfügung stellen kann. Doch der reich e Westen hat nicht das geringste Interesse daran: Als die Vereinten Nationen im Juli 2010 mit einer Resolution den Anspruch auf sauberes Wasser zum Menschenrecht erklärte, stimmten die USA – Hauptsitz von 500 mul tinationalen Konzernen – und 40 weitere reiche Länder dagegen, während die Staaten der Dritten Welt durchgängig dafür stimmten. 470
Auch Bangladesch ist hoch verschuldet. Die Staatsverschuldung beträgt 35 Milliarden US -Dollar, das sind fast 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Gesunken sind dagegen die Mittel klassischer Entwicklungshilfe: Zwischen 1996 und 2005 von 230 auf nur noch 1,39 Milliarden Dollar. Davon werden 80 Prozent als verzinste Kredite vergeben. Natürlich ist die klassische Entwicklungshilfe durchaus zu kritisieren. Korrupte Regierungen, grassierende Privatisierung, immense Staatsschulden, Steuerflucht, Hungerlöhne – alles, was dem reichen Westen dient, kommt in Konflikt mit Hilfe, wie sie nötig wäre.Aber ist die Privatverschuldung, wie sie Mikrokredite verursachen, eine ernsthafte Alternative?
Der Wandel von den Nicht-Regierungsorganisationen zu Mikrofinanzinstituten ( MFI ) – Anu Muhammad bezeichnet solche MFI - NGOs auch als »Corporate NGO s« – fiel genau in die Zeit der Strukturanpassungsprogramme, gefördert von der Weltbank. Diese gründete 1995 die sogenannte Consultative Group to assist the Poor (CGAP), also eine Beratungsgruppe für die Unterstützung der Armen. Sie wollte 200 Millionen US -Dollar für die Vergabe von Mikrokrediten auf den Weg bringen. 1996 gab sie folgende Strategie aus, um NGO s in den kommerziellen Finanzmarkt zu integrieren: »a) ein passendes Rahmenwerk für Finanzoperationen des NGO -Sektors entwickeln, b) große NGO s dabei unterstützen, sich als Banken zu etablieren, c) einen Großhandel von Krediten bei etablierten NGO s unterstützen, und d) kleinere NGO s als Zwischenhändler einsetzen, um Kredit-Selbsthilfe-Gruppen zu mobilisieren.« 471
Das zeigt, dass das Mikrokreditwesen nicht etwa des halb so schnell gewachsen ist, weil es sich als probates Mittel zur Armutsbekämpfung erwiesen hatte, sondern weil die mächtige Weltbank die Verbreitung der Mikrokredite durchsetzte.
Privatschulden als Entwicklungshilfe
1997 wurde das erste Mikrokredit-Gipfeltreffen in Washington abgehalten. Auf der Konferenz kündigten unter anderem die Weltbank, die amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID , die Inter American Developement Bank, das Entwicklungs programm der Vereinten Nationen UNDP und die Citibank an, einen Mikrokreditfonds aufzulegen. EU und USA sind zentrale Förderer der Mikrofinanz geworden. Die deutsche Bundesregierung fördert Mikrokreditprogramme bereits seit den achtziger Jahren: mit 37 Millionen Euro unterstützte sie bis 1998 die Grameen Bank. Bis heute hat die Bundesregierung ein Drittel der Entwicklungshilfe, 2,7 Milliarden Euro, in Mikrofinanzsysteme in 63 Ländern gesteckt. Die deutsche
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