Wir müssen leider draußen bleiben
Wenn man ihn fragt, wieso die Menschen trotz aller Fakten, die gegen Mikrokredite sprechen, von der Idee begeistert seien, dann lacht er und sagt: »Die Menschen leiden an Wunschvorstellungen. Sie wollen es unbedingt glauben. Sie ärgern sich über Kritik, das macht sie unsicher.«
Am meisten, sagt Anu, profitiere das globale Finanzkapital: »Mikrokredite erschienen in der Finanzkrise als Gottesgeschenk, als ein Ausweg für das Kapital.« Seit langer Zeit fällt die Profitrate, das Kapital sucht neue, lukrativere Märkte. Mikrokredite sind ein vielversprechender Markt: Mit geringer Beteiligung, aber sicheren Gewinnen. Denn während in der westlichen Welt Kreditnehmer durch Gesetze geschützt sind, sind die Armen völlig ungeschützt und rechtlos den Geldeintreibern ausgesetzt. Sie haben keine andere Wahl, als zu zahlen. Mikrokredite sind keineswegs nur ein kleiner Nebenschauplatz, »sie sind Teil des Weltkapitals«. Anu nennt drei Hauptziele der Mikrofinanz: »Sie haben dem Finanzmärkten gezeigt, dass die riesige Menge von Armen für das Kapital interessant ist. Regierungen und Instituten wie der Weltbank dienen sie als Beleg einer für sie funktionierenden Alternative zur Entwicklungshilfe. Und drittens haben Mikrokredite die Marktwirtschaft in die entlegensten Orte der Welt gebracht: Die Armen können konsumieren. Kurz: Mikrokredite belegen, dass Kapitalismus auch für die Armen funktioniert.« Obendrauf verleihe es den reichen Armutsbekämpfern einen gewissen Glamour: »Die Mittel- und Oberklassen sind stolz darauf – aber die haben keine Ahnung von der Realität in Entwicklungsländern, sie leben zufrieden in ihrer abgeschlossenen Welt.«
Von der Wall Street führt ein direkter Weg in die Blechhütten der Armen: sie sind es jetzt, die quasi den Finanzmarkt retten sollen. Auch die Deutsche Bank, ABN Amro, Morgan Stanley, Citibank und Credit Suisse sind in das große Geschäft eingestiegen.
Dass der Mikrokredit ein bedeutender Teil des kommerziellen Finanzmarktes ist, wird auch durch die Tatsache belegt, dass es für Mikrofinanzorganisationen Ratingagenturen gibt: die wichtigste ist Microfinance Information Exchange ( MIX ) in Washington, wo auch die Grameen Foundation sitzt, die viele große MFI unterstützt und damit beauftragt ist, die Idee der Mikrokredite in alle Winkel der Welt zu tragen. MIX wird unter anderem finanziert von der Deutschen Bank und ist vor allem an hohen Gewinnmargen interessiert. Sie bewertet die MFI am Volumen der Kredite und an den Rückzahlungsquoten. In den Rankings schafft es die Grameen Bank regelmäßig unter die ersten zehn. Das ist wichtig, um Investoren zu finden, die Geld für Kredite bereitstellt, deren Zinsgewinne sie selbst und auch die Grameen Bank abschöpfen. Die Frage nach der »sozialen Leistung« wird von den MFI im Fragebogen selbst beantwortet, Folgen wie Mehrfachverschuldung und Verarmung tauchen dort natürlich nicht auf. Für die Ratingagentur MIX gehören MFI , die mehr als 30 Prozent Zinsen erheben und hohe Eigenkapitalrenditen erzielen, zu den profitabelsten Kreditinstituten. 513
In Deutschland können Privatanleger seit 2007 in kommerzielle Mikrokreditfonds investieren. Die Deutsche Bank hat gleich mehrere Fonds auf dem Markt: Zwischen sechs und 9,5 Prozent Rendite verspricht sie Anlegern des » DB Microfinance-Invest Nr.1 « . Verkauft wird das als »soziale Geldanlage« – dabei geraten die Ärmsten in die größte Not, damit west liche Anleger Gewinne mit gutem Gewissen einfahren können. Die Deutsche Bank kooperiert auch mit der bangladeschischen Mikrokreditorganisation ASA , die mehr als sieben Millionen Kreditnehmerinnen und jährliche Gewinne zwischen zehn und zwölf Millionen US-Dollar verzeichnet. 514 Auch Börsengänge von Mikrokreditorganisationen sind keine Seltenheit mehr. Mit katastrophalen Auswirkungen.
Selbstmorde in Indien und Bangladesch
Die Deutsche Bank, KfW und die Weltbank sind auch in Indien, dem zweitgrößten Mikrokreditland nach Bangladesch, eingestiegen. Der öffentlich bekannte Anteil kommerzieller Investoren im indischen Geschäft mit der Mikrofinanz ist von 6,3 Millionen US -Dollar im Jahr 2006 auf 391 Millionen Dollar 2010 gewachsen, innerhalb weniger Jahre also um mehr als das Fünfzigfache. Im Juli 2010 schließlich ging die Mikrofinanzorganisation SKS unter der Leitung des ehemaligen McKinsey-Beraters Vikram Akula an die Börse. Sie warb mit einer Eigenkapitalrendite von 24 Prozent. So hohe Renditen versprechen sonst nur
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