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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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Investmentbanken. Der Verkauf der SKS -Aktie brachte auf einen Schlag 350 Millionen Dollar, Investoren in aller Welt wie Sequoia Capital und der Milliardär George Soros griffen zu. 515 Mit anderen Worten: Milliardäre bedienten sich am Geld der Armen. Unterstützt wurde der Börsengang auch von der Grameen Foundation in Washington: »Wir sind davon überzeugt, dass Börsengänge (…) den Kapitalbedarf von MFI s befriedigen können«, sagte Camilla Nestor, Sprecherin der Stiftung. 516
    Nur drei Monate nach dem Börsengang geriet der Mikrofinanzmarkt in eine schwere Krise, in deren Folge sich 54 hoch und mehrfach verschuldete Kreditnehmerinnen das Leben nahmen: sie tranken Pestizide, hängten sich auf, verbrannten sich oder ertränkten sich in Brunnen. 17 davon hatten einen Kredit bei SKS . Gerhard Klas, der für sein Buch Die Mikrofinanz-Industrie auch in Indien recherchiert hat, beschreibt, wie Mitarbeiter der MFI das Geld auf fast noch abscheulichere Weise als in Bangladesch von den Frauen eingetrieben haben: sie zwangen sie nicht nur, ihr gesamtes Hab und Gut zu verkaufen, sie »rieten« ihnen auch zu Prostitution und Diebstahl. Den Verzweifelten legten sie sogar den Selbstmord nahe – denn mit dem Tod erlischt auch der Kredit. 517
    Die ZEIT interviewte im November 2010 Muhammad Yunus zu den Selbstmorden in Indien. 518 Er sagte: »Viele missbrauchen die Idee. Sie nehmen sie, um damit möglichst viel Geld zu verdienen. Sie ziehen Investoren an und wollen an die Börse. Das ist verkehrt! Verurteilt das! In Indien geschieht so etwas gerade mit SKS Microfinance. Die sind an die Börse gegangen und wollen Millionen machen. Das hat rein gar nichts mit meiner Idee zu tun.« Tatsächlich hat die Grameen Foundation in Washington auch die SKS unterstützt. Yunus zog gar in Zweifel, dass sich die Frauen wegen der Schulden das Leben genommen hatten: »Können Sie wirklich nachweisen, dass sich die Menschen aus Verzweiflung über Kreditschulden umbringen? Frauen verbrennen sich in Indien seit Langem aus vielerlei Gründen, tragischerweise«, sagte er. Und: »Wenn ein Mikrokredit Menschen in den Tod treibt, dann ist er falsch konzipiert. Dann hat er nichts mit meiner Ursprungsidee zu tun. Die bringt keine Menschen um.«
    Da täuscht sich der Herr Professor. Denn auch in Bangladesch nehmen sich manche Menschen deswegen das Leben. Buchautor Gerhard Klas hat in Bangladesch eine Familie besucht, deren Vater sich wegen der hohen Schulden bei der Gra meen Bank erhängt hatte. 519 Auch ich habe in Bogra eine Familie getroffen, deren Mutter sich mit Gift das Leben genommen hatte. Menuda Begum war 56, als sie starb. Sie hatte einen Kredit bei der MFI - NGO TMSS aufgenommen. Diese Bank ist in Bogra ansässig: deren Geschäftsführerin Hosne-Ara Begum hat es, so heißt es, auf ein beträchtliches Vermögen und eine Menge Landbesitz gebracht. Kritiker wie Kushi Kabir bezeichnen sie als korrupt und geldgierig. Menuda Begum hatte den Kredit unter anderem deshalb aufgenommen, weil ihre beiden Söhne arbeitslos waren. Als sie den Druck nicht mehr aushielt und ihre Söhne entlasten wollte, trank sie das Gift. TMSS hat versucht, den Journalisten daran zu hindern, einen Bericht darüber zu veröffentlichen. Als der Artikel erschien, habe TMSS eine Pressekonferenz einberufen und stellte die Vorwürfe als erfunden dar.
    Sklaven für den Arbeitsmarkt
    An der Universität Dhaka treffe ich den Wirtschaftswissenschaftler M. M. Akash. »Die Armen brauchen Hilfe, keine Kredite«, meint er und bezeichnet Mikrokredite als neoliberale Strategie, »die das Niedriglohnlevel aufrecht hält und eine riesige Reservearmee von billigen Arbeitern hervorbringt.« Wenn man sich anschaue, wie die Menschen die Rückzahlung leisteten, dann merke man, sie könnten die Kredite nur bedienen, indem sie noch weniger konsumierten und noch mehr arbeiteten. Bangladesch habe, unter anderem durch die schnell wachsende Textilindustrie, eine enorme Wachstumsrate von 40 Prozent. »Dafür braucht man viele Arbeiter. Das ist die ganz alte Geschichte der kapitalistischen Transformation: Alle Industrierevolutionen haben diese Strategie benutzt.« Die Industrie habe es auf die Landbevölkerung abgesehen, vor allem auf Frauen, die seien billiger.
    Tatsächlich ist, eine Folge der Mikrokredite, dass die verschuldeten Menschen auf der Suche nach Arbeit in die Städte ziehen, statt durch Subsistenzwirtschaft ihre Ernährungsunabhängigkeit auf dem Land zu sichern. Das können sie schon

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