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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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schon so lange hier. Aber unser Leben auf dem Land können wir nicht vergessen.«
    Nicht nur für sie ist hier Endstation. Auch Roshima ist vor zehn Jahren mit ihrer Familie aus der Gegend von Barisal nach Dhaka gekommen. Sie ist vor den Geldeintreibern geflohen. 10 000 Taka habe sie damals von einer NGO dort geliehen, an den Namen kann sie sich nicht mehr erinnern, sie kann weder lesen noch schreiben. Sie und ihr Mann legten von dem Geld eine kleine Fischzucht an. Doch eines Tages sei der Teich leer gewesen, alle Fische gestohlen worden, sie standen vor dem Nichts. Als sie den Kredit nicht mehr zurückzahlen konnten, kamen die Mitarbeiter der NGO in die Hütte, bedrohten sie und nahmen ihr den Nasenring weg. Schließlich ließ die Familie das Wenige, was blieb, zurück und floh nach Dhaka.
    Roshima ist ausgemergelt, ihr Gesicht hohlwangig. Jetzt arbeitet sie im Haushalt von vier Familien, damit verdient sie 1 600 Taka – das sind etwa 16 Euro – im Monat, das reicht nicht zum Leben, auch ihr Mann ist hier krank geworden, er kann nicht mehr arbeiten. Die meisten Menschen, die hierherkommen, arbeiten zu miserablen Bedingungen in Fabriken, sammeln und sortieren Müll, versuchen sich als fliegende Händler, als Rikschafahrer oder als Tagelöhner auf den Baustellen. Die Konkurrenz ist groß, die Löhne sind niedrig. Roshimas Tochter arbeitet in der Textilfabrik. Fatimah, das bildhübsche Mädchen, sei 18, sagt die Mutter. Ab dann ist es offiziell erlaubt, in Fabriken zu arbeiten. Aber so zart und zerbrechlich, wie sie aussieht, könnte sie auch 15 sein. Sie ist nur bis zur 5. Klasse in die Schule gegangen, ab dann kostet es Geld. Jetzt arbeitet sie für 3 500 Taka im Monat Akkord in einem Sweatshop. Sie gehe morgens um sieben aus dem Haus und komme mitten in der Nacht zurück, die Überstunden würden nicht entgolten. Wer sich gewerkschaftlich organisiere, fliege raus, wer die Ziele nicht erreicht, beschimpft. »Manchmal«, sagt Fatimah mit dünner Stimme, »schlagen uns die Bosse sogar auf den Rücken.« Der Unterschied zu ihrer früheren Existenz? »Das Leben auf dem Land war auch hart und arm. Aber dort hatten wir wenigstens frische Luft zum Atmen. Hier ist alles laut, schmutzig und teuer, aber es gibt keinen Weg mehr zurück.« Als sie das sagt, steigen ihr die Tränen in die Augen.
    Am Mittag bin ich mit einer Frau aus Deutschland zum Essen verabredet, die in Dhaka arbeitet. Wir treffen uns im Germans Club, einem Privatclub im Luxus-Stadtteil Gulshan. Dort leben die wohlhabenden Ausländer und die reichen Bangladeschi. Hier reihen sich die Fünf-Sterne-Hotels, die die Investoren und Händler beherbergen, hier sitzen die internationalen NGO s. Hier lebt auch Moosa Bin Shamsher, mit einem Vermögen von geschätzten 25 Milliarden US -Dollar ist er Bangladeschs einziger Milliardär. Er hat sich selbst zum Prinz ernannt, sein Vermögen hat er mit Bauunternehmen, Waffenhandel und einer Agentur gemacht, die billige bangladeschische Arbeiter in den Mittleren Osten verschachert.
    Der Germans Club ist ein bewachtes kleines Gebäude in einer ruhigen Seitenstraße. Man kommt hier nur auf Einladung herein. Eben saß ich noch mit acht Leuten auf einem großen schmuddeligen Bett im stinkenden Slum, jetzt rieche ich das Chlor des Swimminpools, höre das Plopp-Plopp vom Tennisplatzen und lese in der Speisekarte, dass es nicht nur italienischen Rotwein gibt, sondern sogar Kässpätzle. An einem Tisch fläzen drei feiste weiße Männer in Rattansesseln, über ihren Wohlstandsbäuchen spannt das Karohemd, an ihren Handgelenken glänzen dicke Uhren. Sie plärren laut genug, dass man ihren rheinischen Dialekt erkennen kann. Sie lachen ein Alphamännchen-Lachen, während sie Bier bestellen und ihre dicken blutigen Steaks nicht aufessen. »Was sind denn das für Leute?«, frage ich. »Einkäufer in der Textilindustrie«, sagt meine Gastgeberin. Womöglich, zu diesem Gedanken lasse ich mich nach den erschütternden Bildern dieser Reise verleiten, feiern sie gerade einen lukrativen Deal, der den Fatmahs dieser Welt das Leben in den Fabriken noch mehr zur Hölle machen wird.
    Die Motor-Riksha zurück zu meinem Hotel in Dhanmondi schiebt sich durch den Feierabendverkehr, in Gulshan fahren mehr Autos als Rikschas auf der Straße. Zwischen den Autos laufen Kinder umher, sie betteln oder verkaufen Bücher. In dem Stapel, den sie an die Autofenster halten, liegt ganz oben: Banker of the Poor: The Autobiography of Muhammad Yunus, Founder of the

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