Wir müssen leider draußen bleiben
bezahlt. Dadurch sparen sich die Unternehmen nach Schätzungen von Oxfam mindestens 43 000 US -Dollar – jeden Monat. 96 Gewerkschaften gibt es so gut wie keine, die Unternehmen drohen mit Gehaltskürzung und Entlassungen, es gibt »schwarze Listen« mit Gewerkschaftsmitgliedern. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal: die Menschen sind jeden Tag dem Pestizidregen ausgesetzt, den Flugzeuge auf den Anbauflächen und gleichzeitig über den Dörfern verteilen. In solchen Anbauregionen leidet fast die Hälfte der Bevölkerung unter Vergiftungserscheinungen und schweren Krankheiten. Weil Boden und Wasser verseucht sind, weil für die gigantische Überproduktion immer mehr Land benötigt wird, haben Kleinbauern keine Chance mehr, für ihre Ernährungssouveränität selbst Nahrung anzubauen. Sie sind gezwungen, unter diesen verheerenden Bedingungen auf den Plantagen zu arbeiten, um überhaupt überleben zu können. Laut der Untersuchung Bittere Bananen , die Oxfam 2011 in Ecuador durchführte, verdienen Bananen-Arbeiter mit im Schnitt 237 US-Dollar pro Monat deutlich unter dem Staatlichen Mindestlohn von 544 US-Dollar.
Moralische Strategien der Handelskonzerne
Um dem Kunden das schlechte Gewissen beim Kauf zu neh men, haben sich Handel und Produzenten Nachhaltigkeits siegel zugelegt. Die allerdings stehen weder für biologischen Anbau noch für fairen Handel, klingen aber gut. So hat Chiquita, weltgrößter Bananenproduzent, einen Vertrag mit der industriefreundlichen US -amerikanischen Umweltorganisation Rainforest Alliance, die auf den Bananenplantagen seit Jahren dafür sorgen will, dass weniger Pestizide zum Einsatz kommen und auch Menschenrechte irgendwie umgesetzt werden. Doch es hat sich wenig geändert: Viele Bauern sind nach wie vor ohne Schutzkleidung hochgiftigen Pestiziden ausgesetzt, Gewerkschaftsarbeit wird behindert – und die Bauern verdienen nach wie vor viel zu wenig Geld: Laut einer Studie bekommen die Arbeiter 20 Prozent weniger als die, die sich dem fairen Handel angeschlossen haben. 97
Rewe bezieht einen Teil der Bananen aus einem Projekt mit Chiquita und der Rainforest Alliance. Das gehört zur »Nachhaltigkeitsinitiative«, die unter anderem das Label »Pro Planet« auf ausgewählte Produkte klebt, um »den nachhaltigen Kon sum im Massenmarkt zu fördern«. 98 Für dieses Label, bekam Rewe unter anderem den Deutschen Nachhaltigkeitspreis: Schirmherrin Angela Merkel, gesponsert von Coca Cola, Danone und dem Deutschen Markenverband. Die Lobby-Organisation der Markenwirtschaft vereint unter ihrem Dach unter anderem Deutsche Bank, Henkel, Unilever, Nestlé, Danone, Axel Springer, Bayer, BASF und Kraft Foods – allesamt Konzerne, die von Überfluss und Überproduktion profitieren. 99 Auf den Produkten, die das »Pro Planet«-Label tragen, wird eine positive Eigenschaft besonders ausgelobt; auf Paprika und Tomaten aus Südspanien, die man bei Rewe kaufen kann, steht dann zum Beispiel: »Soziale Bedingungen verbessert«. 100
In der andalusischen Plastikhölle zwischen Alméria, Sierra Nevada und Costa del Sol wachsen auf einer Fläche, die größer ist als München, tonnenweise Gemüse für den europäischen Markt. Jeden Tag verlassen mehr als 1 000 LKW den westlichsten Zipfel Spaniens Richtung Norden. Zehntausende afrikanischer Flüchtlinge arbeiten in der Gemüseindustrie. Ohne Schutzkleidung sind auch sie dem Pestizidregen ausgesetzt; auch sie erhalten nicht einmal den tariflichen Mindestlohn von 43 Euro pro Tag. 101 Einige von ihnen haben die lebensgefährliche Flucht aus Afrika in klapprigen Booten auf sich genommen – in der Hoffnung, in Europa ein besseres Leben zu finden. Jetzt arbeiten sie als Erntesklaven für den deutschen Billigmarkt, den die Gemüse-Patrones nur dann bedienen und gleichzeitig damit ihren Wohlstand sichern können, wenn sie die Kosten möglichst niedrig halten. So können sich die Arbeiter, die ihre armen Familien in Marokko oder im Senegal unterstützen, nicht einmal eine anständige Unterkunft leisten. Versteckt zwischen den Plantagen oder in den übrig gebliebenen Pinienwäldern fristen sie in selbst zusammengezimmerten Barracken ihr menschenunwürdiges Dasein – wenn sie nicht gleich von den Patrones in Lagern auf Slum-Niveau eingeschlossen werden. Der Schweizer Menschen rechtler Albert Widmer vom Europäischen Bürgerforum nennt die Zustände in Südspanien »keine unfreiwilligen Nebenerscheinungen, sondern festen Bestandteil des heute weltweit dominierenden
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