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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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agroindustriellen Modells. Nur billigste Saison arbeiter, ohne Rechte und jederzeit verfügbar, ermöglichen niedrige Erzeugerpreise. Um diese Produktionsform am Leben zu halten, ist es nötig, die verschiedenen Gruppen von Landarbeitern gegeneinander auszuspielen und ein Überangebot an Arbeitskräften – eine Reservearmee – zu schaffen.« 102
    Für diese Reservearmee hat sich Rewe zur »Verbesserung der sozialen Bedingungen« einfallen lassen, ihnen für drei Monate saubere Unterkünfte zu stellen. 103 Das kommt den Konzern günstiger, als dafür zu sorgen, dass die Arbeiter ordentliche Verträge und einen fairen Lohn bekommen, von dem sie eine anständige Unterkunft selbst bezahlen könnten. Damit die Menschen erst gar nicht gezwungen seien, ihr Land zu verlassen, spendet Rewe großzügig an das SOS -Kinderdorf im Senegal 104 : auf dass es den Kindern dank besserer Schuldbildung einmal besser gehen wird als der Generation ihrer Eltern, die arm sind, weil die Konzerne partout nicht bereit sind, sie für ihre Arbeit zu bezahlen. Sollen das mal andere machen, irgendwann, in der Zukunft, vielleicht.
    Dabei liegt es vor allem in der Verantwortung der Handelsketten, dass der Senegal eines der ärmsten Länder der Welt ist: Die europäische Überproduktion an Gemüse und Milchpulver wird auf die afrikanischen Märkte gespült, hochsubventioniert von der EU , wovon abermals Lebensmittel- und Agrarkonzerne profitieren. Auf den Märkten im Senegal und in anderen Entwicklungsländern wird europäisches Gemüse billiger verkauft, als einheimische Bauern es erzeugen können. Das ist ein Grund dafür, warum die Wirtschaft in Ländern wie dem Senegal darniederliegt. Deshalb wird auch den erwachsenen, noch so gut ausgebildeten Senegalesen einmal wenig mehr übrigbleiben, als als »Wirtschaftsflüchtling« im Meer zu ertrinken oder sich als Söldner im Reserveheer des globalisierten Konsumkapitalismus zu verdingen.
    Es führt eine direkte Linie von den Ausgebeuteten in den armen Ländern zu den Ausgeschlossenen der westlichen Konsumgesellschaft: die Wohlstandsverlierer der Dritten Welt produzieren Müll für die Wohlstandsverlierer der Ersten.
    Die Folgen dieses wirtschaftlichen Weltkriegs sind vielfältig und unendlich, sie haben aber eine wesentliche Ursache: Überproduktion. Ein Viertel des weltweiten Wassers wird verschwendet, der Urwald wird für die immer größer werdenden Anbaufelder gerodet, indigene Völker und Kleinbauern werden vertrieben und in Armut gestürzt. Dort, wo Lebensmittel wachsen müssten, wächst Getreide zur Fütterung von Nutztieren, um den Fleischhunger im Norden mithilfe der Felder im Süden zu stillen: 57 Prozent der weltweiten Getreideernte ist für Tiertröge bestimmt. 105 Für Fertigprodukte, die dem Kunden als »Convenience Food« schmackhaft gemacht werden, für Energie, die Flugzeuge, Lkws , Kraftwerke, Fabriken und Landmaschinen antreibt, wird ebenso unverzichtbarer Regenwald zugunsten von Palmölflächen gerodet. In Malaysia und Indonesien ist er bereits so gut wie verschwunden. Die Verschwendung von Lebensmitteln verursacht mindestens 10 Prozent der klimazerstörenden Gase. Weil Landwirtschaft nur noch in Großbetrieben rentabel ist, wachsen auch auf deutschen Feldern hochsubventioniert Energiemais, Elefantengras und Solarzellen – was bedeutet, dass die Lebensmittel, die regional wachsen könnten, importiert werden müssen.
    Es ist erstaunlich, wie rasant sich die Idee der Tafeln in der Welt verbreitet. Außer in Europa und den USA gibt es Foodbanks in Ägypten, Argentinien, Australien Brasilien, Ghana, Großbritannien, Guatemala, Indien, Israel, Japan, Jordanien, Kanada, Kolumbien, Marokko, Mexiko, Neuseeland, Phillipinen, Südafrika, Südkorea, Taiwan und Türkei. 106 Was allerdings kein Anzeichen dafür ist, dass die weltweite Armut im Begriff ist, abgeschafft zu werden. Im Gegenteil: Mit dem Export der Konsumgesellschaft, die durch Überfluss und Überproduktion gekennzeichnet ist, wächst in armen Kontinenten wie Indien und Afrika die Kluft zwischen Arm und Reich: Extreme Armut und extremer Reichtum nehmen zu. In Indien gibt es mittlerweile eine wohlhabende, gehobene Mittelschicht, die es sich leisten kann, Essen wegzuwerfen, während Landsleute den Hungertod sterben und die Hälfte der indischen Bevölkerung an Unterernährung leidet. Dass die erste Foodbank Indiens ausgerechnet in der fünftgrößten Stadt Indiens, in Chennai, angesiedelt ist, ist kein Zufall: Die Hauptstadt des

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