Wir müssen leider draußen bleiben
sie gespart hat, den Teil der Miete bezahlen, den das Amt nicht übernimmt – sie fürchtet, dass sie sonst mit den Töchtern in eine kleinere Wohnung in einem schlechter gestellten Stadtteil umziehen müsste.
»Die Tafel hat mir meine Gesundheit wiedergegeben«, sagt Fischer. Sie habe bereits Bluthochdruck bekommen von der ständigen Sorge, wie sie den nächsten Tag überleben sollte, unlängst habe ihre Ärztin außerdem Burn-out diagnostiziert; ihr Sohn habe in der schweren Zeit Asthma bekommen. Jetzt sei wenigstens wieder »Luft zum Atmen«. Jetzt könne sie dem Kind neue Kleidung kaufen, »und zwar bei C&A und nicht das billige Zeug von Kik oder Gebrauchtes.« Und wenn es gut gehe, selten zwar, seien auch einmal 10 Euro fürs Kino drin. Der letzte Film, den Saskia Fischer gesehen hat, war Erwin Wagen hofers Dokumentarfilm über die Finanzkrise Let’s make Money .
Es ist ein Anspruch der Tafeln: Sie wollen, laut Bundesverband, ein Zusatzangebot offerieren, um finanzielle Freiräume zu schaffen. So können die Tafeln zwar akut die Not lindern, an die Ursachen strukturell bedingter Armut rühren sie jedoch nicht.
Dadurch, dass die Tafeln mehr und mehr versuchen, Versorgungslücken zu schließen, legitimieren sie vielmehr den Rückzug des Sozialstaats. Die flächendeckende Verbreitung von Tafeln, sagt Selke, erzeuge das Bild eines scheinbar gelösten Problems, »völlig konträr zur sozialen und politischen Realität«. Mit dem Lob der Tafeln spare der Staat »mit wenig Aufwand und ein bisschen Rhetorik viel Geld – und gibt es anderer Stelle aus.«
Warum die Wirtschaftselite die Tafelidee propagiert
Genau das dürfte auch ein wesentlicher Grund sein, weshalb sich Unternehmen bei der Tafel engagieren: Sie sind am Erhalt einer Wirtschaftsstruktur interessiert, die ihren Profit sichert. Dazu gehört ganz wesentlich der Abbau von Arbeitneh merrechten, der wiederum die Armut zementiert. Die Münchner Tafel hat unter ihren Sponsoren auch die Molkerei Alois Müller, die ihre Milchbauern unter massiven Preisdruck setzt. Sie kündigte mehreren hundert in ihrer Existenz bedrohten Bauern, die gegen die Ausbeutung protestierten, schlicht den Abnahmevertrag. Vor einigen Jahren sackte das Unternehmen 70 Millionen Euro staatlicher Subventionen für die Schaffung von 148 Arbeitsplätzen ein, während es mit zwei Werksschließungen für 165 Arbeitslose sorgte. 136 Mit etwas Glück bekommen diese nun einen abgelaufenen Joghurt bei eine r Tafel geschenkt. Auch die steuerliche Begünstigung der Unterneh men zum Schaden des Sozialstaats mehrt die Armut: Zwischen 2000 und 2005 sind die Gewinne von Unternehmen und die Einkommen aus Vermögen in Deutschland um 31 Prozent gestiegen; die darauf gezahlten Steuern hingegen sind um rund 10 Prozent gesunken. 137 Zu den Hauptsponsoren der Tafeln in Deutschland gehört auch Mercedes Benz. Der Autokonzern spendiert der Tafel (Motto: »Für die gute Sache geben wir unser Bestes: unsere Fahrzeuge«) gelegentlich Lieferwagen, was grundsätzlich für Presseecho sorgt. Dabei hatte Jürgen Schrempp, von 1995 bis 2005 Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG und der Daimler-Chrysler AG (heute Daimler AG ) und entschiedener Vertreter des Shareholder-Value, einmal stolz erklärt, dass Daimler-Chrysler keine Steuern mehr bezahle. 138 Der Rückgang der gezahlten Unternehmenssteuern geht einher mit dem Zuwachs an Dividendenausschüttungen. Dabei wären Unternehmenssteuern die einzige Möglichkeit, die Gesellschaft an den Gewinnen teilhaben zu lassen. Gerade weil Unternehmen dazu nicht verpflichtet werden, steigt der Bedarf an Tafeln, sprich: die Armut, stetig an.
Es überrascht kaum, dass ausgerechnet die am Shareholder- Value orientierte Unternehmensberatung McKinsey, die mit der Zerschlagung von Firmen und durch Massenentlassungen ungezählte Menschen in die ausweglose Armut getrieben hat, als erster Berater der Tafeln fungierte. Die Unternehmensberatung, deren Direktor Peter Kraljic neben Vertretern von Deutscher Bank, Daimler-Chrysler und Volkswagen in der Hartz-Kommission saß, schuf in einem zweijährigen Projekt ein Organisationsmodell für die Tafeln, das diesen schließlich half, sich zu einem hochprofessionellen Non-Profit-Franchise-Modell zu profilieren. Gleich zwei Publikationen, die für die Öffentlichkeit nicht einsehbar sind, verfasste McKinsey für die Tafeln: das Handbuch zur Gründung und das Handbuch zum Betrieb einer Tafel . 139 Damit möchte der Bundesverband heute nicht mehr
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