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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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Beides soll dazu beitragen, die Unternehmen aus der Schusslinie zu bringen und gesetzliche Auflagen – etwa angemessene Unternehmenssteuern und verbriefte Arbeitnehmerrechte – zu verhindern, die den Profit schmälern könnten. Dass sich Unternehmen entsprechend öffentlichkeitswirksam sozial engagieren, soll außerdem belegen, dass »die Wirtschaft« allein in der Lage ist, die »Changemaker« und »Innovationen« hervorzubringen und Probleme »kreativ« zu lösen.
    Die Beseitigung von Armut bedarf allerdings ziemlich wenig Kreativität oder Innovation: Sie ist ganz einfach eine Frage der Verteilung. »Kreative Lösungen« zur Armutsbekämpfung dagegen geraten schnell zur Geschmacklosigkeit. Kurz vor demWeihnachtsfest 2009 ließen sich die Kreativen der Wer beagentur Leo Burnett (Motto: »Big ideas come out of big pen cils «) in Frankfurt eine besonders schöne Bescherung einfallen. Schon lange klagte die Frankfurter Tafel, dass sie die Pfandsammler nicht erreiche, sprich: diejenigen, die sich ein wenig Selbstbestimmung dadurch erhalten, dass sie in Glascontainern und Mülleimern nach Pfandflaschen suchen, die sie in den Supermärkten gegen Bares eintauschen. Aber Geld kann man doch nicht essen – dachte sich womöglich Leo Burnett. Also ließ die Agentur Plastikflaschen herstellen, auf denen statt eines Getränkeetiketts ein Aufkleber prangte mit den Worten: »Gegen Abgabe dieser Flasche erhalten Sie eine Tüte mit Lebensmitteln«; der Gutschein war einzulösen bei den Ausgabestellen der Tafel. Damit wollte man den Pfandsammlern »die Scheu davor nehmen, sich helfen zu lassen«. 145 Das erklärte Kreativdirektor Hans Jürgen Kämmerer treuherzig, der die Idee zu der Aktion hatte: »Wir haben jetzt die ersten Flaschen hier am Hauptbahnhof verteilt und sogar schon einige Sammler beobachten können, die welche von unseren Modellen rausgefischt haben. Am Bahnhof sind die meisten von ihnen unterwegs, aber in den nächsten Wochen werden wir das Ganze noch ausweiten und auch die Gegenden um die anderen großen Stationen in der Innenstadt mit unseren Flaschen ›bestücken‹.«
    Diese sensationelle Instinktlosigkeit traf auf große Begeisterung innerhalb der Werbeszene: Leo Burnett erhielt statt Kritik den Medialöwen in Bronze verliehen, einen internationalen Preis für gute Werbeideen. »Wir freuen uns, dass die hochkarätige Mediajury unsere Idee mit einem Löwen ausgezeichnet hat. Wir hatten gerade in diese Kategorie Hoffnungen gesetzt, denn die zentrale Idee der Arbeit für die Frankfurter Tafel ist in der Tat eine Mediaidee: Wie erreicht man Menschen, die durch Werbung normalerweise nicht erreichbar sind? Diese Aufgabenstellung hat unser Team sehr kreativ gelöst«, sagte Andreas Pauli von Leo Burnett in seiner Dankesre de. Die »trojanischen Flaschen« (die negative Konnotation des Begriffs »trojanisch« scheint niemandem aufgefallen zu sein) seien für die Frankfurter Tafel ein großer Erfolg gewesen. Alle Zeitungen hätten – meist positiv – über die Aktion berichtet, auch Regionalfernsehen und -radio »halfen, die Armut wieder zu einem Thema in den Köpfen der Menschen zu machen«. Und so jubelte der Branchendienst Ströer: »Mit einem Null-Euro-Budget konnte eine Berichterstattung im Gegenwert von 90 315 Euro erzielt werden.« 146
    Schön, wenn die Armut anderer so viel Geld wert ist. Ob die Pfandsammler tatsächlich das Angebot wahrnahmen, an den Tafeln Müll gegen Müll zu tauschen, darüber wurde nirgends berichtet. Und gefragt hat sie auch keiner: Denn gefragt werden die Nutzer grundsätzlich nicht.
    Ausschluss der Ausgeschlossenen
    Eine groß angelegte Befragung der Tafel-Nutzer hat es in fast 20 Jahren bis heute nicht gegeben. Wie zufrieden die Menschen mit dem Service sind, ob sie sich gut und gerecht behandelt fühlen, ob sie die postulierte »gelebte Solidarität« spüren, ob ihnen die Tafeln tatsächlich einen finanziellen Freiraum schaffen, der ihnen wiederum ge sellschaftliche Teilhabe ermöglicht, und ob sie überhaupt etwas anfangen können mit dem Angebot an Waren: das hat die Nutzer niemand gefragt. Die einseitige Betonung des gesellschaftlichen Engagements der Ehrenamtlichen lässt erst gar nicht den Verdacht aufkommen, dass es womöglich auch bei den Tafeln alles andere als gerecht zugeht. Schließlich ist es ja gut gemeint.
    Dass die Tafeln mit Verteilungsgerechtigkeit nichts zu tun haben, lässt sich allerdings allein schon an den Zahlen ablesen: Die Tafeln erreichen nicht einmal

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