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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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doch ihr Gehalt ist so niedrig, dass sie mit Hartz IV »aufstocken« muss. Saskia Fischer, die von ihrer Firma so wenig Geld bekommt, dass sie zur Tafel gehen muss, hat vor allem Angst, dass ihr Chef sie entdecken könnte: »Wenn der das rauskriegt, bin ich sofort gefeuert.« Wenn ein Arbeitskollege anruft und sagt, er wolle etwas vorbeibringen, macht sich Fischer lieber sofort selbst auf den Weg ins Büro. Niemand soll wissen, wo sie wohnt. Zwar lebt die Familie in einem ganz normalen Hochhaus. Doch »Hochhaus« bezeichnet heute nicht mehr eine Behausung, sondern minderwertige Lebensverhältnisse. »Hochhaus« ist eine Diagnose – genauso wie der Name Kevin. 134
    Rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland sind, wie Fischer, sogenannte »Aufstocker«. Sie müssen Hartz IV in Anspruch nehmen, obwohl sie arbeiten, weil das Geld, das sie verdienen, nicht zum Leben reicht. Jeder fünfte »Aufstocker« hat sogar einen Vollzeitjob. Auf diesem Wege subventioniert der Staat die Niedriglohnpolitik der Unternehmen, die umso mehr Profit machen, je weniger sie ihren Beschäftigten zahlen.
    Ein arbeitspolitischer Skandal, verdeckt durch die zur allgemeinen Überzeugung geratene Auffassung, Hartz-IV-Empfänger seien Schmarotzer auf Kosten der »Leistungsträger«.
    Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat in einer Studie herausgefunden, dass die meisten Aufstocker überdurchschnittlich motiviert seien und bereit, sogar länger zu arbeiten. 60 Prozent der Aufstocker hätten angegeben, auch dann gerne zu arbeiten, wenn sie nicht auf den Lohn angewiesen wären. Mindestens 4,5 Millionen Ar beitslose seien bemüht, eine reguläre Stelle zu finden. 135 Wie Carola Wagner, die blasse, zierliche Frau, die in ihrer Winterjacke fast verschwindet. Seit dreizehn Jahren ist sie alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, sie hat sogar zwei Ausbildungen, eine zur Steuerfachgehilfin und eine zur Hauswirtschafterin. Sie klingt entschieden und ehrgeizig, wenn sie von ihrem Traum erzählt, als Familienhelferin zu arbeiten. Doch dafür bräuchte sie ein Diplom zur Sozialpädagogin, sagt das Amt. Jetzt möchte sich Wagner selbstständig und dafür ihren Meister in Hauswirtschaft machen. Aber auch das will ihr die Arbeitsagentur verwehren: Sie müsse dem Amt fünf Tage die Woche zur Verfügung stehen – für unbezahlte Fulltime-Praktika und Ein-Euro-Jobs etwa. Das kann man genauso gut Zwangsarbeit nennen. »Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass es gar nicht erwünscht ist, dass Leute wieder in reguläre Jobs kommen«, sagt Wagner. Als sie einer Sachbearbeiterin von ihrem Wunsch erzählte, sich selbstständig machen zu wollen, lachte diese sie aus: »Das schaffen sie doch sowieso nicht. Ein Hartz-IV-Empfänger braucht solche Gedanken gar nicht zu haben.« Es war einer von vielen Abenden, an denen Wagner erschöpft in ihrer Wohnung saß und weinte. Sie sagt: »Wenn ich wirklich einfach nur auf dem Sofa sitzen und nichts tun würde, dann ging es mir vielleicht besser. Sobald man wirklich arbeiten will, geht die Hölle richtig los.«
    Und trotzdem hat sich Carola Wagner einen Platz in der Meisterschule erkämpft, den sie aus ihrem Regelsatz selbst bezahlt, weil sich das Amt noch immer weigert, die Kosten zu übernehmen. Trotzdem macht sie, mit 42, das nächste körperlich anstrengende Praktikum in einer Großküche und freut sich darüber, wenn sie eine Gelegenheit bekommt, ihren Vortrag über Sparen im Haushalt zu halten. Trotzdem berät Wagner ehrenamtlich in Not geratene Menschen bei ihren Finanzen – und muss selbst an der Tafel stehen, weil alle Sparsamkeit nichts nutzt. Was für eine gigantische Verschwendung von Energie und Arbeitskraft! Man fragt sich, woher Wagner, woher all diese Menschen, die versuchen, wieder ein selbstbestimmtes Erwerbsleben zu führen, und statt Unterstützung nur Demütigung erfahren, die Kraft nehmen, weiterzumachen.
    Die ersten Male, sagt Wagner, habe sie geweint, wenn sie von der Tafel zurückkam. Auch sie sei zuvor, wie ihre Freundin Saskia, immer wieder umgekehrt. Ein Ehrenamtlicher habe sie schließlich überredet und gesagt: »Es ist keine Schande für Sie, sondern für die Gesellschaft.« Jetzt bringt sie jedes Mal eine Thermoskanne Tee für die Ehrenamtlichen mit, »damit ich wenigstens das Gefühl habe, ich kann etwas zurückgeben.«
    Beide Frauen sagen, dass sie hier nicht stehen mögen. Beide sagen auch, dass sie dankbar sind für das Angebot. Wagner kann von dem Geld, dass

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